Mein Haus & Grund - Kleiner wohnen, größer träumen

STANDPUNKT 41

Die grüne Wiese ist nicht mehr!

Blažek: Dem steht allerdings die Baunutzungsverordnung im Weg, die davon ausgeht, dass es Räume gibt, in denen gearbeitet wird, und solche, in denen gewohnt wird. Das man das auch zusammen machen kann, ist in der Verordnung nicht vorgesehen, weil sie ein völlig überholtes städtebauliches Konzept beinhaltet, das dringend auf einen aktuellen Stand gebracht werden müsste. Das ist aber ein politisches Thema. Oeler: Auf jeden Fall. Zahlreiche Projek- te werden aufgrund solch überkomme- ner Regelungen nicht realisiert. Blažek: Was in diesem Zusammenhang tatsächlich sehr häufig gerade bei dem Dachgeschossausbau und der Gebäude- aufstockung auftaucht ist das Thema Brandschutz. Altbauten haben natürlich einen Brandschutzstandard von 1900, original mit Holztreppenhäusern und Holzbalkendecken, die auch über 100 Jahre gut funktioniert haben, und jetzt kommen die Brandschützer und sagen: Wenn du das Dachgeschoss ausbauen willst, muss aber das ganze Haus auf den aktuellen Stand gebracht werden. Und das lohnt sich natürlich nie. Oeler: Da sag ich jetzt mal Jein – Es gibt schon Bestandsschutz, aber man muss ganz schön hartnäckig und ver- siert sein, damit man den durchkriegt. Es fehlt nach wie vor der politische Wille, den Bestand umzunutzen, zu verbessern und auszunutzen, da muss etwas passieren. Ich kann nicht überall die aktuell anerkannten Regeln der Technik auf den Bestand anwenden. Wir brauchen eine Umbauordnung. Die Bundesarchitektenkammer hat schon im vergangenen Jahr einen entsprechen- den Vorschlag erarbeitet. Blažek: Hier bringen die Studien der ARGE auch eine gute Erkenntnis ein: Wir müssen uns nicht mehr zu Tode

dämmen. Wir könnten beispielsweise weg vom Standard einer automatischen Gebäudebelüftung und Entlüftung. Die ganze Technik, die man dafür zusätz- lich einbaut, kostet sehr viel Geld und bringt unter dem Strich fast gar nichts. Das ist im Sinne der Nachhaltigkeit nicht sinnvoll, denn wenn man sich die Verbrauchsdaten anschaut, haben diese Häuser auch keine besseren Werte als das normale Standardhaus. Heißt das, es bräuchte politisch mehr Weitsicht und innovative Ideen? Oeler: Es bräuchte Flexibilität! Blažek: Genau! Man müsste schon in der Landesbauordnung oder in Richtli- nien dazu die Hilfestellung geben, die den Bauämtern vor Ort derzeit fehlt. Ohne Vorgaben vom Land werden sie immer auf Nummer sicher gehen. Man könnte beispielsweise die Standards nach Haustypen festlegen, je nachdem, ob ein Haus aus der Gründer- oder Nachkriegszeit stammt, und dabei könnten schon Hinweise ergehen, die dem Bauamt vor Ort helfen. Kommen wir zu den Ein- und Zwei- familienhäusern. Wie lassen sie sich zukunftsfähig machen? Blažek: Wenn wir den aktuellen Gebäudebestand nachhaltig nutzen wollen, sind die Ein- und Zweifamilien- häuser tatsächlich die große >>

Franca Oeler, junge Architektin aus Flensburg und in diesem Jahr neube- rufen im Bund Deutscher Architekten (BDA), sieht derzeit als wichtigste architektonische Aufgabe das Bauen im Bestand als Beitrag zur Nachhaltigkeit. Alexander Blažek, Verbandsvorsitzender von Haus & Grund Schleswig-Holstein, stellt dagegen die Frage, wie das Eigen- heim der Zukunft aussieht, wenn die grüne Wiese nicht versiegelt werden soll. Wenn die grüne Wiese nicht mehr ist – was muss künftig anders ge- macht werden? Oeler: Wir müssen damit anfangen, das auszuheben, was schon da ist und nicht genutzt wird. Es gibt noch so viel Flächenpotenzial im Bestand – Dach- geschossausbau, Umnutzung, Aufsto- ckung, das ist total spannend. Natürlich ist das nicht alles barrierefrei. Aber wenn wir sagen, wir wollen das, was wir haben, sinnvoll nutzen, dürfen wir nicht dogmatisch denken. Blažek: Das sehe ich ganz genauso, vor allem hinsichtlich der Umnutzung von Bürogebäuden. Ich bin Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen (ARGE), aus deren Sicht sich Bürogebäude einfach und kostengüns- tig in Wohnraum umnutzen lassen. Zum Beispiel in der Kieler Innenstadt. Hier haben wir im Erdgeschoss ganz häufig Gewerbe, darüber sind Büros, die oft leerstehen, Stichwort Home-Office. Das ist unheimlich viel Potenzial im Bestand, und im Zuge einer Umnutzung würde ich so in der Innenstadt genau dort Wohnungen schaffen, wo der Wohn- raum auch nachgefragt wird. Ich muss nichts neu versiegeln und kann eine alte Immobilie weiterentwickeln. Und der Innenstadt würde es auch guttun. Oeler: Total! Eine lebendige Innenstadt funktioniert ja nur, wenn ich diese Nut- zungsmischung habe, wenn gleichzeitig gelebt und gearbeitet wird.

Wie sich das Flächen- potenzial im Bestand nutzen lässt Wie sieht die Zukunft des Bauens und Woh- nens in Norddeutsch- land aus? Es braucht mehr Wohnraum, gleichzeitig soll die Flächenversiegelung um die Hälfte redu- ziert werden. Welche Herausforderungen bedeutet das für Im- mobilienbesitzer auf der einen und Städte und Gemeinden auf der anderen Seite?

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