02-2016 D

...ganz persönlich:

CHEFÄRZTIN

wider WILLEN

Eine gute einheimische Kollegin schrieb mir per SMS, dass sie starke Bauch- und Kopfschmerzen habe. Von Tag zu Tag ging es ihr immer schlechter. An einem Sonntagmorgen rief sie mich an und wollte mir ein paar von ihren Kleidern verkaufen, um ins Spital zu gehen – ansonsten könne sie es sich nicht leisten. RAT VON DER WEISSEN FRAU Ich bot ihr an, gemeinsammit ihr ins Krankenhaus nach Télimélé zu fahren und vorerst die anfallenden Kosten zu übernehmen. Dort erhielt sie gleich eine Infusion, bevor überhaupt abgeklärt wurde, was ihr fehlte. Ich alsWeisse fiel im Spital natürlich auf und wurde sehr zuvorkommend behandelt. Viele Ärzte sprachen mich an, erzählten mir von ihren Problemen bei der Arbeit oder fragten mich um Rat – eine Ärztin rief mich sogar zu sich ins Nebenzimmer und zeigte mir eine Mutter mit ihrem Baby, die kurz zuvor ins Spital gekommen waren. Sie sagte mir, die Mutter käme immer zu spät zu ihnen, und wollte eine Bestätigung von mir, dass sie als Ärztin nichts mehr für das Kind tun konnte. Das Baby starb nur wenige Augenblicke später. Bestürzt drückte ich der Da meine Kollegin noch einige Tests über sich ergehen lassen musste, setzte ich mich an der frischen Luft auf eine Bank. Nach dem ganzen Trubel tat mir die Pause gut. Es dauerte rund zwei Stunden, bis die Blutergebnis- se da waren und wir wussten, was ihr fehlte: Sie hatte Typhus-Fieber, was mit den richtigen Medikamenten gut behandelbar ist. Erst nach dem Bezahlen bekam sie per Infusion die richtigen Antibiotika und ich konnte mich wieder verabschieden. Ein eindrucksvoller und anstrengender Tag – und ich werde sicher nicht so schnell ver- gessen, wie ich wider Willen plötzlich fast zur Chefärztin geworden wäre. Mutter mein Beileid aus und ging hinaus. MEDIKAMENTE PER INFUSION

Priska MÜLLER, Mitarbeiterin im Projekt ActionVIVRE Télimélé, Guinea

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