AMERIKAS
USA Pharmamarkt gerät ins Visier
Die mögliche Einführung von Zöllen auf Medikamente aus Europa setzt Pharma- unternehmen massiv unter Druck. Für Deutsch- land steht viel auf dem Spiel: Arzneimittel machen 17 Prozent der deutschen Exporte in die USA aus. Im Jahr 2024 exportierten die EU-Staaten laut Eurostat Pharmazeutika im Wert von knapp 120 Milliarden Euro in die USA, importierten aber nur für 46 Milliarden Euro. Aus US-Sicht ergibt sich ein Handelsdefizit von 74 Milliarden Euro – ein Umstand, der Donald Trump ein Dorn im Auge ist. Mehrfach brachte er daher hohe Einfuhrzölle für die EU und die Schweiz ins Gespräch. Bei einer Kabinettssitzung im Weißen Haus am 8. Juli 2025 sprach er sogar von bis zu 200 Prozent. Die geplanten Zölle könnten europäischen Unternehmen das Geschäft auf dem wachsen- den US-Pharmamarkt verhageln. Bisher steigen die Exporte jährlich um 5 bis 6 Prozent – getrie- ben von der starken Nachfrage nach hochprei- sigen Medikamenten. Wachstumstreiber sind chronische Krankheiten, Abnehmpräparate, innovative Krebsmedikamente sowie Gen- und Zelltherapien. Importzölle auf Arzneimittel könnten die Produkte in den USA verteuern oder sogar zu Lieferstopps bestimmter Präparate führen. Der Bruch mit einer langjährigen internationalen Zollpraxis droht: Für die Versorgungssicherheit bei Medikamenten erheben Staaten nur geringe Zölle auf Pharmazeutika oder verzichten ganz auf sie. Grundlage ist das Pharmaceutical Tariff Elimination Agreement der Welthandelsorgani- sation WTO von 1995. US-Zusatzzölle könnten diese Vereinbarung nun torpedieren. Zudem sind die Lieferketten der Arzneimittel- wirtschaft global vielfältig verwoben und lassen sich nur sehr selten auf den bilateralen Handel zwischen zwei Nationen herunterbrechen. Viele Medikamente enthalten Komponenten aus unterschiedlichen Weltregionen. Für Deutschland zählen medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse zu den wichtigs- ten Exportgütern in die USA – sie belegen Platz 2 und 3, übertroffen nur von Autos. Die starke US-Nachfrage nach innovativen Medikamenten und das dortige hohe Preisniveau stützen maß- geblich die Forschungs- und Entwicklungsbud- gets deutscher Hersteller. Entsprechend weit könnten die Schockwellen neuer Zölle reichen. Dies betrifft große Arznei-
Der Handelskonflikt erreicht den Pharmasektor: Drohende US-Zölle auf Arzneimittel könnten die Preise in die Höhe treiben und Liefer- ketten gefährden.
mittelhersteller, die erhebliche Umsätze in den USA erzielen, darunter Bayer, Merck und Boeh- ringer Ingelheim. Noch gravierender dürften die Auswirkungen auf kleine und mittlere Pharma- firmen mit geringeren finanziellen Spielräumen sein. Obwohl die US-Regierung auf massiv niedrige- re Preise für verschreibungspflichtige Präparate abzielt, drohen Importzölle als Preistreiber für Arzneimittel in den USA zu wirken. Im un- günstigsten Fall würde sich die Versorgung mit importierten Medikamenten verschlechtern und zugleich die Fertigung im Inland unattraktiver werden. Denn auch US-Produzenten sind vom Import wichtiger Vorprodukte abhängig. Mit Zusatzzöllen auch auf diese wäre die kostspie- lige Ansiedlung von Arzneimittelwerken in den USA weniger wirtschaftlich. Die somit höheren Produktionskosten dürften die Hersteller ein- preisen. Hinzu kommt eine ohnehin intrans- parente Preisbildung auf dem US-Markt. Preise für Arzneimittel variieren stark, je nach Umfang der Krankenversicherung und durch Patienten selbst zu zahlende Kostenanteile. GTAI/IHK
634,32 MILLIARDEN US-DOLLAR umfasste das Marktvolumen für Pharmazeutika in den USA im Jahr 2024 geschätzt. QUELLE: GRAND VIEW RESEARCH
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IHK Global Business 08-09/2025
ihk.de/rhein-neckar
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