Die Magie der kollektiven Kreativität.*
Schon mein ganzes Leben lang hat mich das Rätsel der kollektiven Kreativität fasziniert. Wie geschieht es, dass Men- schen manchmal auf fast magische Weise gemeinsam etwas schaffen, das von Leben, Kraft und Schönheit erfüllt ist? Zum Beispiel eine Sportmannschaft, die plötzlich auf einer anderen Ebene agiert und das Spiel nicht mehr einfach nur ein Spiel ist, sondern gleichsam zu einem ästhetischen Statement wird (wobei nach wie vor gekämpft und gespielt wird). Oder ein Symphonie- orchester, in dem alle Spieler eins werden mit der Musik. Eine Balletttruppe, in der die Tänzer in ihren Bewegungen miteinander zu verschmelzen scheinen. Eine Läuferin, die am Ende des Wettkampfes ihre „Gegner“ voller Freude umarmt – wissend, dass ihre Leistung nur durch das gemeinsame Bestreben aller Mitläufer möglich wurde. Diese Frage hat mich getrieben und begleitet, aber auch beunruhigt. Treten diese immer wieder zu beobachtenden Beispiele kollektiver Kreativität nur im Sport oder in den darstellenden Künsten auf? Ist das der Grund, warum Singen, Tanzen, Trommeln, Laufen und Springen seit Beginn der Menschheitsgeschichte eine solch verbindende Kraft zwischen den Kulturen entfalten?
In den modernen Kulturen spielen diese Aktivitäten jedoch eine weitaus weniger zentrale Rolle und als Erwachsene begegnen wir ihnen heutzutage eher als Zuschauer und kaum mehr als aktive Teilnehmer. Unser Leben dreht sich stattdessen um Organisieren, Managen, Unterrichten, Kinder erziehen, Menschen heilen und die tagtägliche Bewältigung von Stresssituationen. Als jemand, der wie viele andere stets darauf hinge- wiesen hat, dass wir auch in unserem täglichen Arbeitsleben kollektive Kreativität kultivieren können, machte ich mir Gedanken darüber, ob vielleicht viel zu viel geredet und zu wenig konkret dafür getan wird. Das Potenzial ist zweifellos vorhanden – aber man machte sich zu wenig Gedanken über die Mittel und Wege, wie Kreativität in der Praxis freigesetzt werden könnte. Aus diesem Grund fühlte ich mich zum World Café gleich hingezogen. Meiner Ansicht nach ist ein World Café- Gespräch der zuverlässigste Weg, den ich bisher kennen gelernt habe, um kollektive Kreativität sichtbar werden zu lassen. Die zahlreichen Beispiele in diesem Buch führen dies sehr anschaulich vor Augen.
* Vorwort von Peter Senge für das Buch „Das World Café – Kreative Zukunftsgestaltung in Organisationen und Gesellschaft“ von Juanita Brown und David Isaacs, Carl- Auer Verlag, Heidelberg (Übers. aus dem Amerikanischen: Suzanne Bürger, München)
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