Nordpol - das Magazin für die Nordstadt. Ausgabe 17

Rhein-Kreis Neuss ¦

Kriminalität im Rhein-Kreis Das Kriminalitätslagebild 2023 gibt Anlaß zur Sorge

Von Susanne Brügge. Im April wurde das Kriminalitätslagebild 2023 für den Rhein- Kreis-Neuss bekanntgegeben. Leider gibt es eine deutliche Zunahme der Kriminalität. 2023 wurden für den Rhein-Kreis-Neuss insgesamt 30.086 Straftaten registriert, das ist eine Zunahme von 3.259 Fällen (oder 12,1 %). Die Zahlen sind so hoch wie seit 2016 nicht mehr. Besonders die Bekämpfung der Jugendkriminalität bildet einen Schwerpunkt der polizeilichen Tätigkeit. Der Anteil der hier ermittelten Tatverdächtigen vergrößerte sich von 19,4 % im Vorjahr auf 21,2 % im Jahr 2023. Das entspricht 2.446 Personen. Die Zahl der Mehrfachtatverdächtigen unter 21 Jahren, welche mindestens fünf Straftaten begingen, stieg im Verhältnis zur Bevölkerung an. Lag sie 2022 noch bei 138, verzeichnete der Rhein- Kreis-Neuss für das Jahr 2023 179 Fälle. Doch woran liegt das? Dirk Jansen, ehemaliger Neusser Stadtelternrat, hat sich Gedanken dazu gemacht. Nordpol: „Sind wir neben dem Klimawandel auch einem Gesellschaftswandel ausgesetzt und wenn ja, ist dieser positiv oder negativ belegt?“ Dirk Jansen : „Ja, wir sind einem Gesellschaftswandel ausgesetzt und nicht nur allein durch die Einwanderungspolitik. Alles um uns herum ändert sich, dann selbstverständlich auch die Gesellschaft. Ob das jetzt positiv oder negativ ist, kann man nicht so einfach pauschalisieren. Das müsste man einzeln betrachten. Es gibt positive und negative Aspekte. Was allerdings besorgniserregend heraussticht: der Respekt geht verloren. Nordpol: „Haben Eltern früherer Generationen mehr Wert auf Erziehung gelegt und waren ethische Werte wie Respekt, Moral, Empathie und Solidarität früher eher Bestandteil der Kindererziehung als heute?“ Dirk Jansen: „Eltern haben heute gefühlt weniger Zeit. Wobei man auch hier nicht alle über einen Kamm scheren kann. Dennoch kommen heute viel mehr Ablenkungen ins Spiel, als sie früher der Fall sein konnten. Zu meiner Kinderzeit gab es gerade mal den

Fernseher, der doch meist erst am Abend eigeschaltet wurde. Heute sind die Eltern ganz anders abgelenkt. Smartphone, Tablett, Internet, Sozialen Netzwerke, Spielkonsolen, Netflix und Co. – vielleicht müsste man sich auch mal die Statistiken anschauen, wie sich die Zahlen der typischen Familien – Vater, Mutter, Kinder – im Verhältnis zu Alleinerziehenden in den vergangenen Jahren verändert haben. Dann kommt hinzu, dass es sich heute kaum noch eine Familie leisten kann, dass nur ein Elternteil arbeiten geht und einer bei den Kindern zu Hause bleibt. Das war einfach mal anders. Hinzu kommt, dass viele Eltern den Erziehungsauftrag komplett an die Schule abgeben möchten. Das kann eine Schule aber gar nicht leisten. Es ist Aufgabe der Eltern den Kindern z.B. beizubringen, dass man für ältere Personen im Bus seinen Platz freimacht, dass man die Türen aufhält und sich auch mal bückt um etwas aufzuheben, wenn etwas auf die Erde fiel.“ Nordpol: „Auch Kinder sind heute reizüberflutet. Internet, Videos, Soziale Netzwerke, Spielkonsolen. Was macht das mit den Kindern heute?“ Dirk Jansen: „Wenn Kinder sich nur mit sich selbst beschäftigen und als Gegenüber ein Tablet, ein Smartphone oder eine Spielkonsole haben, wie sollen sie sich da in Empathie üben? Wenn Du kein Gegenüber hast und nicht wahrnimmst, wie z.B. der Gesichtsausruck Deines Gegenübers ist, wie willst Du da etwas über Mitgefühl, Verantwortung oder Grenzen lernen? Kinder und Jugendliche leben heute viel mehr in ihrer eigenen Welt. Würden Kinder sich wieder mehr miteinander beschäftigen, das wäre schon die halbe Miete. Nordpol: „Gibt es einen Zusammenhang mit den zuvor gestellten Fragen und der weiter ansteigenden Jugend- und Kinderkriminalität?“ Dirk Jansen: „Auch hier möchte ich nichts verallgemeinern. Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass Kinder beinflussbarer sind als Erwachsene. Kinder und Jugendliche wollen Anerkennung und möchten dazugehören. Da ist es nachvollziehbar, dass wenn gegensätzliche Lebensverhältnisse,

Dirk Jansen

Foto: Susanne Brügge

unterschiedliche Kulturen und Religionen aufeinandertreffen, es für Kinder und Jugendliche erst mal schwer ist sich zu orientieren und zu positionieren. Kurzum, wenn es zu wenige Gemeinsamkeiten im positiven Sinne gibt, dann kann es zu Schwierigkeiten kommen. Dann reicht vielleicht schon ein schlechtes Vorbild und eine ganze Reihe Kinder lassen sich anstecken und machen mit. Vielleicht auch aus einem Gruppenzwang heraus. Eben weil „man“ dazugehören will. Da möchte ich als Beispiel das Thema „Challenge“ anbringen. Bei Tik Tok, Insta, Youtube, Facebook oder Snapchat werden teilweise Videos gepostet wie z.B Tiere gequält werden – aus einem Gruppenzwang heraus wird versucht jeden Post noch zu übertreffen. Das hätte es zu unserer Kinderzeit schon aus technischen Gründen nicht geben können. Auch wenn der Digitale Fortschritt nicht mehr wegzudenken ist und er durch KI bald noch ganz andere Möglichkeiten aufweisen wird, ist der Fortschritt dennoch Fluch und Segen zugleich. Nordpol: „Was würden Sie tun, um einem weiteren Anstieg von Jugendkriminalität entgegenzuwirken?“ Dirk Jansen: „Ich denke ich würde mit Sport beginnen. Sport hat einen sehr positiven Einfluss auf Kinder und Jugendliche. Während sie sich sportlich betätigen, kommen sie schon mal nicht auf dumme Gedanken. Es ist gesund und in einem Verein werden so viele positive Werte vermittelt – jedes Kind sollte in einen Sportverein. Vielleicht sollte man die Höhe der Zahlung von Kindergeld tatsächlich von der Mitgliedschaft eines Sportvereins abhängig machen.

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