ASIEN-PAZIFIK
Drei Fragen an … Jürgen Lindenberg, Erster Vizepräsident der IHK Rhein-Neckar zu seinen Take-Aways von der Asien-Pazifik- Konferenz der Deutschen Wirtschaft (APK) in Neu-Delhi für das Asien-Geschäft hiesiger Unternehmen. Was haben Sie als asienerfahrener Unternehmer als Kernpunkte mitgenommen? Jürgen Lindenberg: Das asiatische Jahrhundert hat längst begonnen. Viele Unternehmen aus unserer Region sind auf asiatischen Märkten deshalb auch schon längst gut aufgestellt, aber meistens nicht auf allen Märkten. Wir sollten noch intensiver nach Vietnam schauen. Für andere Unternehmer lohnt es sich vielleicht, sich noch mehr um ihre Geschäftspotenziale in Indo- nesien, Malaysia oder eben Indien zu kümmern. Sie kennen Asien und seine Märkte aus unzäh- ligen Geschäftsreisen. Welchen aktuellen Ein- druck nehmen Sie vom indischen Markt mit? Lindenberg: Indische Gesprächspartner spra- chen gerne von den drei D‘s als Wachstumstrei- ber: Demography, Democracy und Digitalization. Inder und Inderinnen sind im Schnitt noch immer unter 30 Jahre alt. Dadurch entsteht Nachfrage. Demokratie stand für die indischen Gesprächspartner als Synonym für stabile Rah- menbedingungen, die unternehmerisches Han- deln erleichtern. In der Digitalisierung hat sich Indien längst vom Outsourcing-Standort für arbeitsintensive, einfache Programmierungen weiterentwickelt. Indische Landesgesellschaften leisten heute in vielen Unternehmen regelmäßig wichtige Beiträge zu zentralen Leadprojekten. Und die indischen Gesprächspartner haben klar gemacht, dass Indien mit seinem Heer an IT-Spezialisten sehr gut aufgestellt ist, um sich ein gutes Stück vom Kuchen des Marktes für KI-Lösungen abzuschneiden. Kanzler Scholz sagte auf der Konferenz, dass ein Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU eher in Monaten als Jahren zustande kom- men könne, wenn beide Seiten daran arbeiteten. Verfügen Unternehmen aus unserer Region bald über bessere Zugänge zum indischen Markt? Lindenberg: Es ist gut, wenn der Abschluss von Freihandelsabkommen ganz oben auf der Agen-
IHK-Vizepräsident Jürgen Lindenberg bei der APK 2024, die vom 24. bis 26. Oktober in Neu-Delhi, Indien stattgefunden hat
da der deutschen und europäischen Politik steht. Da gehören sie auch hin. Wir Unternehmen brauchen Zugänge zu mehr Märkten, gerade auch zu Wachstumsregionen wie Südostasien und Indien. Da braucht es jeden Einsatz der Politik. Hoffentlich nicht nur auf dieser Konfe- renz, sondern dauerhaft. Aber wir Unternehmer sollten uns keine Illusionen hingeben. Als 2007 die Verhandlun- gen für ein Freihandelsabkommen mit Indien begannen, waren die Kräfteverhältnisse andere. Auf der Konferenz haben uns die indischen Ge- sprächspartner spüren lassen, dass wir aus ihrer Sicht ein Handelsabkommen mit ihnen heute nötiger haben als sie mit uns. Das stärkt nicht gerade unsere Verhandlungsposition. Aber viel- leicht hat sich dieses Gefühl in Indien nach den Wahlen in den USA auch gerade geändert. Die Konferenz fand kurz vor der US-Wahl statt. Eines sollten wir auf jeden Fall in den letzten Jahren gelernt haben: Wenn wir wirklich als Eu- ropa noch Freihandelsabkommen mit Partnern abschließen wollen, müssen wir aufhören, diese mit Zielen anderer Politikfelder zu überfrach- ten und damit nahezu unmöglich zu machen. Freihandelsabkommen sind Handelsabkommen. Für andere Politikfelder gibt es Klimaschutz-, Umweltschutz- und andere Abkommen.
Das asiatische Jahrhundert
hat längst begonnen.
Jürgen Lindenberg, IHK-Vizepräsident
Die Fragen stellte Matthias Kruse, Geschäftsführer International der IHK Rhein-Neckar.
15
IHK Global Business 12/2024
ihk.de/rhein-neckar
Made with FlippingBook Learn more on our blog