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MIT MEINEN GREN Ich mag wohl Grenzen gleicher- massen wie Grenzenlosigkeit, wo- bei der erste emotionale Impuls klar Letzterem gilt. «Grenzenlos» weckt so eine Art Sehnsucht, treibt rungen. Gott existiert auch ausserhalb von meinem kleinen Universum und wird zum Grenzgänger, indem er im- mer wieder alle Grenzen durchbricht, um uns Menschen nahe zu sein. Jesus der Grenzgänger

schon wieder vom Boden hochkom- me. Je selbstkritischer ich mein Leben betrachte, umso weniger ist es ein be- eindruckendes Boppi-Reich, sondern gleicht eher einem kleinen Mini-Fürs- tentum mit der Grössenordnung von Jim Knopfs Lummerland. Aber irgend- wie ist das auch ganz okay so. Umso mehr bin ich nämlich beeindruckt, dass der grenzenlose Gott in mir und mei- nem Land wohnen will. Und dass er ir- gendwie Platz zu haben scheint. Dabei kommt mein begrenztes Leben mit der ganzen geballten Ladung an un- limitierter Göttlichkeit in Kontakt und da beginnt es faszinierend zu knistern. Der eigene Horizont wird gesprengt durch die Gegenwart des «Es ist mög- lich»-Gottes. Gesunde Naivität «Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein

mir den Geschmack von Frei- heit auf die Zungenspitze. Und es lässt irgendwo in meiner See- le eine Saite vibrieren. Vielleicht ist das so, weil man sich im Leben – je länger man auf dieser fan- tastischen Lebensreise unterwegs ist – mit der eigenen Begrenzung konfrontiert sieht: Alles an und in mir ist begrenzt. Im Kontrast zu meinen Grenzen steht Gott mit seiner Unbegrenztheit. Ich habe die junge, euphorische Phase meines Lebens, wo ich im verklärten Denken vorwärtstaumelte, dass mir nichts unmöglich und alles erreich- bar sei, nun doch schon ein Weilchen hinter mir gelassen. Meine ganze Er- fahrungswelt lässt mich spüren, dass es Dinge gibt, die ein «nie»- oder ein «nie mehr»-Schild tragen. Irgendwann habe ich meinen letzten Salto ins Gras gemacht und mit erdrückend grosser Wahrscheinlichkeit die Zeit der Fami- liengründung hinter mir gelassen. Mein kleiner Finger bleibt nach dem Volley- ball-Unfall definitiv krumm und die An- zahl der grauen Haare werden tenden- ziell eher mehr als weniger. Wenn ich mein Leben als ein Land betrachte, das Gott mir zum Bewirtschaften anver- traut hat, dann sehe ich mich immer mehr mit den Grenzen dieses Boppi- Reiches konfrontiert. Mein Körper – der Spiegel Der Körper spiegelt das einfach immer als erstes. Zum Beispiel kriege ich nicht mehr die Anzahl Liegestützen hin, die ich mit zwanzig mit einer verächtlichen Leichtigkeit geschafft habe. Ich been- de meine Liegestütze bereits mit einem heimlichen Dankgebet, wenn ich nur

Auch bei Jesus hat sich diese Eigen- schaft zutiefst manifestiert – so hat Je- sus immer wieder die kulturell vorherr- schenden Konventionen durchbrochen, um Menschen nahe zu kommen. Das zeigt sich von der ausgestossenen Sa- mariterin am Brunnen über den Besuch beimZöllner Zachäus bis hin zu dem an Aussatz erkranktenMann, den er nicht auf Distanz hielt, sondern berührt hat. Jesus hat jede mögliche Grenze über- wunden, um Menschen zu begegnen. Er hat die Grenzen der damals vorherr- schenden Denkvorstellungen gesprengt und herausgefordert. Mit seiner Auf-

Realist», hat David Ben Gurion ge- sagt. Als Kind habe ich genau das erlebt, als durch die Gebete mei- ner Eltern

erstehung hat er die Begren- zung zur Got- tesbez i ehung und zum Got- tesreich nieder- gerissen und einen Weg er- möglicht.

Gott existiert auch ausserhalb von meinem kleinen Universum.

Ein Versprechen mit Folgen

die körperlichen Einschränkungen, die mich wohl ein Leben lang beglei- tet hätten, selbst für die Ärzte auf un- erklärliche Art und Weise verschwan- den. Wahrscheinlich trage ich in mir genau deshalb so eine starke Faszina- tion für das grenzenlose Wesen Gottes. Nur habe ich mich entschieden, mei- nen Glauben nicht von diesen Wun- dern, von Gottes Tun oder Nicht-Tun, abhängig zu machen. So würde ich den Satz von David ergänzend abwan- deln in: «Wer nur aufgrund von Wun- dern glaubt, ist ein Opportunist.» Und das wiederum ist dann wohl nahe an Bockmist. Denn dann durchläuft Got- tes Grösse in meinem Glauben ständig Schwankungen. Dabei ist seine Dimen- sion nicht abhängig von meinen Erfah-

Wahrscheinlich bin ich auch deshalb so fasziniert von der Grenzenlosigkeit, weil sie uns Menschen von Gott offe- riert wird. Im Alltag spüren wir aber diese vielleicht manchmal unangeneh- me auszuhaltende Spannung, die im- mer dort auftritt, wo Göttliches auf Menschliches trifft. Im Leben dort zu sein, wo das «Schon Jetzt» des künf- tigen Himmelreiches auf die irdische «Noch nicht»-Realität aufschlägt und sich vermischt, da ist die Spannung vor- programmiert. Auch meine Mutter war damals mit einer Spannung konfron- tiert und betete deswegen: «Lieber Gott, wenn du meinen Sohn nicht heilst, wer-

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