Rollen mit ihnen zusammen aus ihnen herausholen.« Gern nimmt sie einen Monolog aus einem Stück, »und wir bauen daraus eine physi- sche Welt, entwickeln dann beispielsweise aus einzelnen Bewegun- gen und Ideen einen Pas-de-deux, machen ihn dann schneller oder langsamer, auf dem Boden oder weit oben, probieren es aus, bis es passt. Zum Beispiel entwickelten wir konkrete Bewegungen aus dem Satz ›Die Liebe ist wie Feuer und Flamme‹, da kam dann eine Bewe- gung wie eine Explosion.« Sie will einen emotionalen Zugang beim Tänzer, etwas, das nicht nur aus einer Arabeske entstanden ist, aus ei- ner bekannten Bewegungsabfolge, sondern von innen kommt: »Wir brauchen Ideen, die durch den Körper gegangen sind.« Und dann gibt es natürlich immer Zufälle, aus denen etwas völlig Neues entsteht, die eine neue Energie in den Tanz bringen, wo dann das Physische das Emotionale der Situation zeigt: »Ich komme zwar vom klassischen Bal- lett, und das ist mir sehr wichtig, aber ich suche auch immer wieder neue Arten von Ausdruck: Wie kann man sich ausdrücken, ohne dass alles pantomimisch und mimisch wird, wie kann man das tänzerisch ausdrücken, wie kann man es auch ein bisschen symbolisch ausdrü- cken, das interessiert mich sehr.« In Karlsruhe ist sie inzwischen angekommen, sie staunt über die vielen Tanzereignisse wie das jährliche Festival Tanz Karlsruhe: »Man merkt, wie eine eigene Energie durch die Stadt spritzt, es ist viel los in der Region.« Und auch die Zusammenarbeit im so sehr viel größeren Staatstheater klappt sehr gut, auch wenn es mit den sechs Sparten komplizierter ist als in Gelsenkirchen mit seinen zwei Sparten. Viel Ar- beit kann sie ihren Ballettmeistern und vor allem ihrem Ballettmana- ger Florian König überlassen, mit dem sie seit über sechs Jahren zu- sammenarbeitet. Und da ihr Mann als Opernsänger sowieso grade eine Pause macht, kann er sich mehr um den Sohn Will kümmern. Und auch sie braucht für die Arbeit immer wieder einen Schnitt: »Ich muss einfach manchmal nach Hause gehen. Wenn ich im Büro bleibe, ist es einfach Bürokram, und ich komm nicht auf die künstlerische Arbeit, ich muss einfach laufen und lesen und Musik hören und einfach anderes denken.«
Der Autor: Georg Patzer ist Literaturwissenschaftler und Histo- riker. Er arbeitet als freier Journalist für verschiedene Tageszei- tungen und den Rundfunk. Im Silberburg-Verlag ist kürzlich das Buch »Einfach clever. 40 weltberühmte Erfindungen aus Baden- Württemberg« erschienen.
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