lhb-ansichtsexemplar-2021

Kleindenkmale überliefern menschliche Schicksalsschläge Erinnerungen an Not und Bedrängnis

VON THOMAS ADAM

V or 20 Jahren, 2001, wurde in Baden-Württemberg auf Anregung des Landesamtes für Denkmalpflege systematisch damit be- gonnen, viele tausend Kleindenkmale in Wald, Flur und Sied- lungsgebieten akribisch zu dokumentieren. Landauf, landab auf den Gemarkungen verzeichnen seither ehrenamtliche Helfer unzählige Grenzsteine, Wegekreuze, Mahnmale, Hoheitssäulen, Hauszeichen und Wappentafeln, aber auch Brunnen, alte Schutzhütten und Viehtränken bis hin zu Friedenslinden. Als wichtige Zeugen der Vergangenheit sol- len sie nicht nur erfasst, sondern auch vor Verfall oder Zerstörung ge- schützt werden. Wenn zuletzt die Verzeichnung abgeschlossen und eine Gesamt- schau möglich ist, wird deutlich werden, wie viele dieser kleinen Re- likte einer unruhigen Vergangenheit auch an menschliches Leid erin- nern: an Notzeiten und Schicksalsschläge, an Naturkatastrophen und Unglücksfälle, bestenfalls an Rettung aus Lebensgefahr. Sucht doch jede Zeit nach Formen der Erinnerung, nach Ausdruck für Trauer, aber auch für Hoffnung und Dankbarkeit. Aus Hochwassermarken an Hauswänden und Stadtmauern, aus Votivtafeln, Gedenksteinen und Grabinschriften wird sich – am Ende der Erfassung – ein ebenso auf- schlussreiches wie trauriges Gedenkbuch individueller persönlicher Verhängnisse oder gemeinsam erlittenen und erduldeten Unglücks zusammenfügen. So birgt Lochmüllers Kapelle am Rande der engen Gauchach- schlucht bei Unadingen Erinnerungen an gleich zwei schwere Hoch- wasser des 19. Jahrhunderts. Das erste riss am Abend des 20. Juli 1804 nach einem Starkregen Teile der Lochmühle samt Scheune und Stall fort. Der siebenjährige Müllersohn, der Lehrjunge und ein alter Kuh- hirt starben, ihre Leichen wurden nie gefunden. In der Kapelle, etwas

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