lhb-ansichtsexemplar-2021

Historische Erlebnistour: In Freiamt mit der Lichtsagerin von Hof zu Hof Der Tod steht ihr gut

VON PASCAL CAMES

F rüher ging Lichtsagerin Lisbeth von Hof zu Hof und berichtete, wer gerade gestorben war. Heute macht das Monika Schmidlin. Sie erzählt Geschichten von Tod und Teufel – obendrauf gibt‘s noch Vesper und Schnaps. Du bist tot! Du lebst! Du vielleicht! Lichtsagerin Lisbeth ist da ganz direkt. Sie zählt die Leute ab und sagt ihnen das Schicksal voraus, das ihnen blüht. Mir hat sie gerade gesagt, dass ich vielleicht nicht sterben werde. Ein Vielleicht ist kein Trost. Schon beginnt das Kopfkino heiß zu laufen, da muss jemand lachen und eine Ziege meckert. Zum Glück bin ich gar nicht im 16. Jahrhundert, und die Pest – ist in Europa längst ein Fall für die Geschichtsbücher. Ich atme erleichtert aus, die Dampfwolke spricht Bände … Wenn der Totenvogel ruft Es ist stockdunkle Nacht und die Lichtsagerin Lisbeth alias Monika Schmidlin erzählt noch ein paar Takte mehr von der Pest und dunklen Vögeln, die auf dem Feld sitzen und den Tod ankündigen. »Ein schlech- tes Omen«, stellt sie fest. Mit schwarzen Kolkraben, badisch Krappe, lässt sich keine goldene Zukunft verkünden. Dann gibt es noch den Waldkauz, den Totenvogel schlechthin. Wenn vor dem Fenster ein Kauz »koimit« ruft (was man als »komm mit« verstehen kann), weiß je- der, dass eine Seele auf Wanderschaft geht. Was steckt dahinter? Mo- nika erzählt’s uff Badisch und berichtet, dass derVogel vom Licht ange- zogen wird. Da es früher keinen Strom gab, wurden Stuben nur dann mit Kerzenlicht oder Funzeln beleuchtet, wenn dort eine Leiche für die Totenwache aufgebahrt war. So wurde ein kleiner Kauz zum Totenvo- gel. Lichtsagerin Monika hat ihren Namen aber nicht vom Kerzenlicht,

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