am dunklen Haus vorbei bis zum Amsen-Hof. Ein großes Gehöft ist es und wir rufen die Bäuerin raus. »Wer ist die Bagage?«, fragt Rita. Wenn die Leute höflich sind, sagen sie »die Litt«, und wenn sie reden, wie ih- nen der Schnabel gewachsen ist, dann sagen sie wie Rita halt »die Ba- gage«. Es heißt auch nicht gestorben, sondern verreckt oder hii, was mausetot bedeutet. Wir legen los: »Der Küferi ihr Mann im Loch …« Die Nochberi ist ganz verschreckt. Darauf einen Schnaps! Getrunken wird immer, genauso wie gestorben … In der Knochenscheune steht schon alles parat, normalerweise werden hier Tiere entbeint. Gläser, Schnaps- flasche und eine Buddel mit Eierlikör stehen bereit. Der wird mit Milch gemacht, denn den Rahm brauchte man für die Butter, erklärt die Bäu- erin. »Wie ein Dessert«, jubelt jemand. Beim Schnaps wird der milde Abgang gelobt, was für einen Brummer mit 51 Prozent nicht zu erwar- ten ist. Wir dachten eher, der weckt Tote auf … Der Job der Knochenbrecher Während wir so reden, hören wir Metall über den Boden kratzen. Neu- gierig schauen wir, woher das fiese Geräusch kommt und sehen zwei dunkle Gestalten, die eine mit einem blitzenden Etwas über der Schul- ter. Der Sensenmann war’s und er hatte es eilig. Wir bleiben aber noch unter den Lebenden und dackeln ein paar Meter weiter zum übergro- ßen Grabstein vom Amsen-Bür, dem Bauern des Amsen-Hofs, und dann nebenan zu einer kleinen Scheune, wo Besagter liegt. Die Lichtsagerin verwandelt sich jetzt in die historisch interessierte Monika Schmidlin, die uns von der Holzknappheit im Schwarzwald be- richtet. Damals durften die Särge nicht sehr groß sein. Monika zeigt gleich auf die Großen in der Gruppe, also auch auf mich, und berichtet, was mit uns passiert wäre. Der Knochenbrecher wäre gekommen und hätte uns ein bisschen verkürzt. Damit das nicht bei Scheintoten pas- siert, gab es ein paar Vorkehrungen, so wurde ein Glas Wasser auf den Bauch gelegt. Zitterte das Wasser, war der Mensch lebendig – oder ein Erdbeben kam. Für den zweiten Test hielt man eine Glasscherbe unter die Nase, um zu sehen, ob sich der Spiegel beschlägt. Ein weißes Hemd hängt an einem Haken, es ist das letzte Hemd, das Totenhemd. Eigentlich würden wir jetzt ein Stück runter Richtung Mundingen gehen, aber es ist zu dunkel. Einmal hatte die Moni auf dem Weg dort- hin an einem Baum ein Feuerchen gemacht, dann fing der ganze Baum an zu brennen. » War nicht schlimm, der Baum war eh hii « , zitiert sie die Bäuerin.
63
Made with FlippingBook flipbook maker