ber 1918 die harten Bedingungen des Waffenstillstandsvertrags mit den West- mächten zu unterzeichnen. In den Au- gen derer, die den Krieg verloren hatten und die nun die sogenannte Dolchstoß- legende erfanden, wurde Erzberger zum »Novemberverbrecher«. Der Hass auf ihn in rechtsextremistischen Kreisen ver- stärkte sich, als sich Erzberger 1919 aus Sorge vor den angedrohten militäri- schen Maßnahmen der Alliierten für die Annahme des Versailler Friedensvertrags aussprach. Dem rechten Milieu entstammten auch die Attentäter. Die früheren Mari- neoffiziere Tillessen und Schulz gehör- ten der Münchener Geheimorganisa- tion Consul an. Sie waren mit dem Post- bus nach Bad Griesbach gefahren und unter falschen Namen im Gasthof »Hir- schen« abgestiegen. Nach der Tat konn- ten sie ins Ausland entkommen. Nach der Machtergreifung der Nationalsozia- listen konnten sie nach Deutschland zurückkehren; die 1933 für politische Straftaten erlassene Straffreiheitsver- ordnung galt ausdrücklich auch für den Mord an Erzberger. Erst die amerikani- sche Militärregierung sorgte nach 1945 dafür, dass die Attentäter juristisch zur Rechenschaft gezogen wurden. Beide wurden von deutschen Gerichten zu mehrjährigen Zuchthausstrafen verur- teilt, allerdings schon nach kurzer Haft- zeit wieder auf freien Fuß gesetzt. Von Ludger Syré
Schwarzwald zum Opfer fiel.Woher rührte die Hetze gegen diesen Mann? Matthias Erzberger, am 20. Septem- ber 1875 in Buttenhausen auf der Schwä- bischen Alb geboren, ergriff den Beruf des Lehrers und übernahm zusätzlich die Redaktion des »Deutschen Volks- blatts«, der in Stuttgart erscheinenden katholischen Zeitung für Württemberg. Als Abgeordneter der katholisch ge- prägten Zentrumspartei, in die er 1895 eingetreten war, wurde er 1903 in den Reichstag gewählt, wo er zu den ersten Berufsparlamentariern zählte. Während des Ersten Weltkriegs ver- trat er die Kriegsziele des Deutschen Reiches. Unter dem Eindruck der militä- rischen Lage änderte er seine Haltung und hoffte auf einen Verständigungs- frieden. Er übernahm es, am 11. Novem-
Gedenkstein zu Ehren Matthias Erzbergers am Tatort des Mordes.
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