lhb-ansichtsexemplar-2021

längeren Reisen durch viele europäi- sche Länder erwirken. Sie ermöglichten ihm, mit zahlreichen Gelehrten seiner Zeit persönlich in Kontakt zu treten. Zudem pflegte er eine umfangreiche Korrespon- denz; unter anderem beriet er den einflussreichsten und meistgelesenen Schriftsteller der Aufklärungszeit, den französischen Philosophen Voltaire. An der Universität Straßburg errich- tete er eine staatswissenschaftliche Schule, die dank ihres hohen Ansehens in aristokratischen Kreisen viele junge Adelige aus zahlreichen europäischen Ländern anzog, um sie auf ihre zukünf- tige diplomatische Verwendung vorzu- bereiten. Daneben schuf Schöpflin eine historische Schule, aus der namhafte Ver- treter des Faches hervorgingen. Gemein- sam mit Andreas Lamey, einem dieser Historiker, gründete er für Kurfürst Karl Theodor 1763 in Mannheim die Kurpfäl- zische Akademie der Wissenschaften. Sein großer Nachlass, zu dem eine Bib- liothek mit 11 000 Bänden und ein ar- chäologisches Museum zählten, ist lei- der im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 zerstört worden. Dafür blieben seine zahlreichen Werke erhalten. Ihnen verdankt sich sein Ruf als Begründer der wissenschaftlichen Geschichtsschreibung am Oberrhein. Seine Methode basiert auf der systema- tischen Zusammentragung und Aus- wertung von Quellen; diese studierte er in staatlichen und städtischen Archiven, zu denen er dank seiner guten Bezie- hungen bereitwillig Zugang erhielt. Hier ist als Erstes sein zweibändiges Werk »Alsatica illustrata« (1751/1761) zu

nennen, das die Geschichte des Elsass von der Zeit der Kelten bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts behandelt. Es gilt als die erste wissenschaftliche Bearbeitung der Geschichte des Elsass; da in Latein verfasst, wandte es sich in erster Linie an die gelehrte Welt. Die nahezu 1600 Ur- kunden, die er zur geschichtlichen Be- schreibung des Elsass benötigt hatte, veröffentlichte nach seinem Tod sein Schüler Lamey in einer gleichfalls zwei- bändigen Edition (1772/1775). Deutlich umfangreicher fiel seine Geschichte Badens aus. Das in sieben ebenfalls großformatigen Bänden in la- teinischer Sprache unter dem Titel »His- toria Zaringo-Badensis« zwischen 1763 und 1766 erschienene Werk war eine Auftragsarbeit des Markgrafen von Ba- den und legte den Schwerpunkt auf dy- nastische Aspekte. Indem er die histori- sche Entwicklung bei den Herzögen von Zähringen beginnen ließ, konstruierte Schöpflin für das Haus Baden eine Tradi- tionslinie, die dem regierenden Mark- grafen Karl Friedrich hoch willkommen war. Auch bei diesem Werk blieb Schöpf- lin seiner Arbeitsweise treu, die eingese- henen Urkunden und Archivalien dem Leser offenzulegen, was er in drei Doku- mentenbänden tat. Am 7. August 1771 starb Schöpflin in Straßburg, wo er in der Thomaskirche beigesetzt wurde. Unter den Trauergäs- ten befand sich der Student Johann Wolfgang Goethe, der dem Verstorbe- nen später in seiner Autobiographie »Dichtung und Wahrheit« ein kleines li- terarisches Denkmal setzen sollte. Ludger Syré

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