beyond 01 | 2025

beyond 1|2025

INTERVIEW

Die Jugend hat keine Stimme im Land

In Kroatien denken viele junge Menschen über Auswanderung nach

Kroatien hat keine hohe Arbeitslosigkeit und dennoch denken viele junge Menschen über Aus- wanderung nach. Zu den Gründen gehören Korruption und Klientelismus, ein damit verbundenes Misstrauen gegenüber Institutionen und eine konservative Familienpolitik, in der sich viele junge Menschen nicht wiederfinden. beyond hat mit Josip Miličević und Marin Capan vom Kroatischen Jugendnetzwerk darüber gesprochen.

beyond: Wie geht es jungen Menschen in Kroatien?

riere als wirklicher Beteiligung und werden zudem durch eine exzessive Verwaltung und Bürokratie blockiert. Das gibt vielen jungen Menschen das Gefühl, dass ihnen oh- nehin niemand zuhört und ihre Interessen nicht berück- sichtigt werden. Das führt zu einer geringen Bereitschaft, sich freiwillig zu engagieren. Dazu verschlechtern sich die Rahmenbedingungen für Studierende. Seit 12 Jahren sind die Leistungen, die sie erhalten, nicht erhöht wor- den. Das Gleiche gilt für Jugendbeiräte auf lokaler Ebene, die ihre Gemeinden beraten sollen, aber auch für Alibi- veranstaltungen und billige politische Aktionen genutzt werden. Keine konsistente Jugendpolitik beyond: Die Regierung müsste doch aber ein Interesse haben, dass junge Menschen im Lande bleiben. Tut sie zu wenig? Josip Miličević: Wir haben keine wirkliche Jugendpolitik, weil wir kein Gesetz haben, das junge Menschen in den Mittelpunkt stellt. Jugend spielt zwar in allen möglichen Gesetzen eine Rolle, aber eine konsistente Politik fehlt. Seit einiger Zeit bemüht sich die Regierung um die Rückkehr der 2. Generation der Ausgewanderten der 70er und 80er Jahre – ohne nennenswerten Erfolg. Wir haben eine Jugendgarantie, aber Geld gibt es vor allem für diejenigen, die sich als Unternehmer*innen selbstständig machen möchten. Die Regierung besteht

Josip Miličević: Seit dem EU-Beitritt Kroatiens verlassen immer mehr Menschen das Land, etwa 500.000 inner- halb von 10 Jahren. Wir haben jetzt eine Bevölkerung von unter 4 Millionen. 15 % von ihnen sind junge Menschen bis 30 Jahre und auch sie denken über Auswanderung nach. Eine Studie von 2024 zeigt, dass nur 22% der jun - gen Menschen bleiben wollen. Die übrigen haben ent- weder einen schwach, mittel oder stark ausgeprägten Wunsch, Kroatien zu verlassen. Wir haben keine hohe Arbeitslosigkeit und auch die Be- zahlung ist okay, aber viele Jobs bieten keine langfristi- ge Sicherheit, die junge Menschen brauchen. Das führt dazu, dass viele junge Menschen lange bei ihren Eltern wohnen bleiben und im Durchschnitt erst mit 33 Jahren das Elternhaus verlassen und auf eigenen Beinen stehen. Das ist der höchste Altersdurchschnitt in der EU. Dazu kommen die Probleme, die es auch in anderen Ländern in Europa gibt: hohe Lebenshaltungskosten und hohe Mieten. Als größtes Problem nehmen junge Menschen aber Korruption und Klientelismus wahr. Wer einen gu- ten Job bekommen möchte, muss Verbindungen haben. Marin Capan: Dazu kommt, dass es keine funktionieren- den Strukturen für Jugendbeteiligung gibt. Zwar gibt es Schüler*innen- und Studierenden-Räte in Schulen und Hochschulen, aber sie dienen eher der beruflichen Kar -

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