IM FOKUS – Junge Zivilgesellschaft unter Druck
INTERVIEW
Ein Jugendring im Exil
Der Widerstand gegen das belarusische Regime geht weiter
Die Führung des Nationalen Jugendrings von Belarus – RADA – wurde ins Exil gezwungen. Was ist unter diesen Bedingungen möglich und was nicht? Die Redaktion von beyond hat die General sekretärin von RADA, Katerina Bunina, und den Referenten für Politik, Dzmitry Herylovich, gefragt.
beyond: Katerina, Dzimitry, die Führung von RADA ist im Exil. Könnt ihr unter diesen Bedingungen die Arbeit in Belarus überhaupt noch sinnvoll aufrechterhalten? Dzmitry Herylovich: Wir sind eine Dachorganisation, das heißt, wir vereinen unterschiedliche Organisationen. Für uns ist die Situation besonders schwierig, aber unse- re Mitgliedsorganisationen sind nicht alle im Exil, sie sind teilweise immer noch in Belarus aktiv. Das Exil eröffnet für uns auch neue Perspektiven, beispielsweise strategi- sche Partnerschaften mit europäischen Organisationen wie dem European Youth Forum oder dem Europarat. Katerina Bunina: Seit der Zerschlagung von RADA müssen wir von außen mit Organisationen in Belarus arbeiten. Das ist nicht nur ein strukturelles Problem, es ist auch in jedem Einzelfall eine persönliche Geschichte. Gegen uns wurden Untersuchungen durch die Staatsan- waltschaft eingeleitet und wir müssen befürchten, dass Familienmitglieder unter Druck gesetzt werden. So wie früher können wir nicht mehr arbeiten, es ist unmöglich geworden. Dzmitry Herylovich: Seit 2020 müssen wir uns in Bela- rus Sorgen um unsere Sicherheit machen. Bis 2021 konn- ten wir uns noch halten, aber dann wurde unsere Orga- nisation innerhalb einer Woche gewaltsam aufgelöst. Die einzig sichere Option für uns war, ins Ausland zu gehen. Es gibt eine ganze Reihe von Fällen nicht-registrierter Or- ganisationen, deren Mitglieder vor Gericht gestellt oder in Abwesenheit verurteilt wurden.
Katerina Bunina: Wir haben etwas Zeit gebraucht, um uns neu zu organisieren. In ein fremdes Land zu kommen und sich an ein neues Leben anzupassen ist nicht leicht. Und es gab ja auch noch die Coronapandemie. Wir haben trotzdem weitergemacht und Trainings und Meetings online abgehalten. Seit 2023 sind wir einen Schritt weitergegangen und treffen uns wieder an Orten, die für uns sicher sind. Wir arbeiteten mit der belarusischen Diaspora und auch mit Geflüchteten aus der Ukraine. Mit dem Beginn des russischen Angriffskrieges und der damit verbundenen humanitären Krise in der Ukraine wurden wir in humanitäre Projekte eingebunden. Seit 2023 steht das Thema Jugend wieder ganz oben auf unserer Agenda. Wir arbeiten an einer Jugendstrategie für Belarus, aber wir beschäftigen uns auch mit der Diskriminierung, die Geflüchtete aus Belarus in Europa zu ertragen haben. Dzmitry Herylovich: Seit 2024 stehen wir auf der Liste der „extremistischen Organisationen“. Das hat unter anderem dazu geführt, dass viele Menschen nicht mehr mit uns reden wollen – aus Angst. Wir halten unsere Kommunikation durch Social Media und unsere Webseite aufrecht, aber die Situation in Belarus ist wirklich gefährlich.
beyond: Was würde geschehen, wenn ihr einfach nach Belarus zurückkehren würdet?
Katerina Bunina: In meinem Fall: Sechs Jahre Gefängnis. Das Innenministerium gab an, dass ich mit der Organisation in Verbindung stehe. Gemäß Artikel 361- 1 des Strafgesetzbuchs, „Bildung einer extremistischen Vereinigung oder Beteiligung an ihr“, wird die Beteiligung
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