GoFor-Report zur Situation junger Menschen in der Türkei
WHICH YOUTH? A Review and Monitoring Report on the Last Decade of Youth and Youth Rights Violations in Türkiye within the context of March 19
die Defizite des Rahmens von 2012 3 reproduzieren wird, indem sie die Ausgrenzung verstärkt, anstatt eine sinn- volle Teilhabe junger Menschen zu fördern, und indem sie eine paternalistische Perspektive einnimmt und die Rechte marginalisierter Jugendlicher, einschließlich LGBTİ+-Gruppen, ignoriert. Finanzielle Engpässe und institutionelle Herausforderungen Diese rechtlichen und politischen Ausgrenzungen spie- geln sich auch in tiefgreifenden finanziellen und ins titutionellen Zwängen wider. Die GoFor-Bedarfsana- lyse für das Jahr 2025, an der 101 rechtebasierte Jugendorganisationen teilnahmen, zeichnet ein Bild äußerst knapper Ressourcen 4 : Mehr als die Hälfte der befragten Organisationen erhielt in den letzten zwei Jahren weniger als 11.000 Euro an Gesamtmit- teln und 41 % arbeiteten 2023 mit einem Jahresbud - get von weniger als 2.000 Euro. Der Zugang zu öffent - lichen Mitteln bleibt weitgehend verschlossen – nur 18 % der Befragten gaben an, von öffentlichen Mitteln zu profitieren –, während regierungsnahe, staatlich organi - sierte Nichtregierungsorganisationen (GONGOs) weiter- hin staatliche Unterstützung erhalten. Gleichzeitig ist der Zugang zu internationaler Finanzie- rung schwieriger geworden. Programme wie Erasmus+ und das Europäische Solidaritätskorps, die von einer ministeriumsnahen Stelle verwaltet werden, werden
von vielen Jugendorganisationen als politisch selektiv wahrgenommen. Einige berichten, dass sie in den letz- ten Jahren ihre Akkreditierung verloren haben, weil sie als ideologische Gegner angesehen werden. In diesem Umfeld haben der sich verschärfende Autoritarismus und die anhaltende Wirtschaftskrise die finanzielle Nachhaltigkeit der jungen Zivilgesellschaft weiter unter- graben. Viele Organisationen sind gezwungen, ohne bezahlte Mitarbeitende oder Büroräume zu arbeiten – Einschränkungen, die die aufsuchende Jugendarbeit behindern, ihre Möglichkeiten zur Einbeziehung ver- schiedener Communities junger Menschen verringern und ihre langfristige Tragfähigkeit gefährden. Insbeson- dere verhindert der Mangel an finanziellen und techni - schen Kapazitäten den Zugang zu internationaler Finan- zierung und hält Jugendorganisationen in einem sich selbst verstärkenden Kreislauf der Ausgrenzung gefangen. Fortschreitende Eingrenzung des zivil gesellschaftlichen Raums und Risiken für junge Aktivist*innen Die systematische Unterdrückung der jungen Zivilge- sellschaft wurde im März 2025 ernüchternd deutlich, als Ekrem İmamoğlu, der Bürgermeister von Istanbul, kurz nachdem er seine Präsidentschaftskandidatur angekün- digt hatte, verhaftet wurde. Seine Inhaftierung, die weit- hin als schwerer Schlag gegen demokratische Normen angesehen wurde, löste landesweite Proteste aus, die vor allem von jungen Menschen angeführt wurden.
3 Ministerium für Jugend und Sport. (2012). Nationales Dokument zur Jugend- und Sportpolitik [Ulusal gençlik ve spor politikası belgesi]. https://gsb.gov.tr/dist/mevzuatdosyalar/mevzuatlar/ulusal_genclik_ve_spor_politikasi.pdf 4 GoFor. (2025). Bericht zur Bedarfsanalyse von Jugendorganisationen in der Türkei: 2025. https://go-for.org/yayinlar/#
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