beyond 01 | 2025

Tobias Flessenkemper, Leiter der Jugendabteilung im Direktorat für Demokratie des Europarats

sche Jugendhauptstadt Lwiw 2025 zeigt, wie junge Leute und Jugendorganisationen demokratische Räume selbst im Krieg schaffen können.

prozesse. Im öffentlichen Raum – sowohl im digitalen wie im physischen Raum – finden wir immer weniger dritte Orte, an denen wir verweilen und uns austauschen kön- nen. Wir sehen das in unseren Städten. Wo sind die ge- meinsamen Orte, an denen unterschiedliche Menschen zusammenkommen können? Auch das hat etwas mit „shrinking spaces“ zu tun. Das findet seinen Niederschlag im politischen Raum. Die Brutalität des politischen Diskurses – aber auch des me- dialen Diskurses – hat zugenommen. Die Grenzen des- sen, was gesagt werden darf, verschieben sich.

Beyond: Was ist auf politischer Ebene geplant?

Tobias Flessenkemper:

Der Generalsekretär des Europarats Alain Berset hat mit der Arbeit an einem „Neuen Demokratischen Pakt“ die- ses Jahr die Initiative ergriffen. Die Konferenz der europä - ischen Jugendministerinnen* am 8. Und 9. Oktober 2025 in Malta könnte Empfehlungen dazu aussprechen, wie wir im Jugendbereich zusammenarbeiten können und wie wir junge Menschen als Teil eines demokratischen Europas begreifen. Es ist problematisch, wenn junge Menschen ihre Freiheitsrechte nicht ausleben können. Die Bandbreite ihrer Probleme ist gewachsen. Die deut- sche Statistik zu den Übergriffen von Rechtsextremen erfüllt viele mit Sorge. Daher ist es unsere Entscheidung, die Lage in eine positive Verpflichtung für die Zukunft zu wenden. Denn Europas Zweck ist die Sicherung individu- eller Rechte und Freiheit aller jungen Menschen, damit sie hier alle ohne Diskriminierung demokratische Gesell- schaften gestalten können.

beyond: Können europäische Organisationen und Institutionen dagegenhalten?

Tobias Flessenkemper: Unter dem Eindruck des Terrors der Nazis und der Sowjets hat Europa die Feinde der Frei- heit eingedämmt und isoliert. Seit den 1990er Jahren wur- den mit einem oberflächlichen „Europäismus“ viele Prob - leme übertüncht, dabei wurde Europa auf der einen Seite zum abstrakten Versprechen und auf der anderen Seite zum Auslöser von Krisen. Europäische Zusammenarbeit und Integration ist lebenswichtig, aber sind nicht per se demokratisch und menschenrechtsgeleitet. Wir müssen deutlicher sagen, dass Europa wertebasiert ist, dass wir Europa wegen Demokratie und Menschenrechten brau- chen, wegen der Freiheit, wegen der Verständigung zivili- sierter Staaten. Dies bedeutet auch einen neuen Auftrag für die deutsche Erinnerungskultur. Noch können wir mit den letzten Holocaust-Überlebenden sprechen. Wie hel- fen deren Erfahrungen jungen Leuten die Entwicklungen in der Ukraine oder im Nahen Osten einzuordnen? Euro- pa ist daher aufgerufen „shrinking spaces“ mit offenen Formaten und Möglichkeiten zu begegnen. Die Europäi-

Kontakt Tobias Flessenkemper Leiter der Jugendabteilung Direktorat für Demokratie

Europarat, Straßburg (Frankreich) https://coe.int/en/web/youth @coe_youth (Instagram)

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