beyond 01 | 2025

IM FOKUS – Junge Zivilgesellschaft unter Druck

Shrinking Spaces

Christina Schneider, Carolin Vogt, Christian Herrmann

Wachsender Druck auf Jugendarbeit und junge Zivilgesellschaft

Der Handlungsspielraum zivilgesellschaftlicher Organisationen in Europa wird seit mehreren Jahren zunehmend eingeschränkt. Regierungen ergreifen gezielt Maßnahmen, um kritische Stimmen und unabhängige Organisationen zu schwächen. Dieses Phänomen ist als „shrinking spaces“ bekannt. Besonders betroffen sind Jugendringe und Jugendorganisationen. Sie geraten zunehmend unter Druck, sei es durch restriktive Gesetzgebungen, finanzielle Kürzungen oder direkte Eingriffe in ihre Arbeit.

schaftliche Raum zudem erneut durch ein geplantes „Agenten-Gesetz“ 1 erheblich eingeschränkt zu werden.

Dabei sind Jugendringe und ihre Mitgliedsorganisationen essenziell für eine lebendige Demokratie. In den Jugend- verbänden als „Werkstätten der Demokratie“ erlernen junge Menschen politische Teilhabe, bilden Meinungen und stoßen gesellschaftliche Veränderungsprozesse an. Mangelnde politische Anerkennung In mehreren Ländern erkennen nationale Regierungen und Behörden den Vertretungsanspruch von Jugend- ringen für die Interessen von Kindern und Jugendlichen nicht an. Diese Anerkennung ist jedoch essenziell, um jungen Menschen eine wirksame Beteiligung an politi- schen Prozessen und Entscheidungen zu ermöglichen. Ohne offizielle Anerkennung fehlt es Jugendringen oft an finanziellen Mitteln, rechtlicher Absicherung und direk - tem Zugang zu politischen Entscheidungsträger*innen. Ein Beispiel hierfür ist der unabhängige türkische Jugend- ring GoFor (Gençlik Örgütleri Forumu). Die türkische Regierung erkennt ihn weder als Interessensvertretung junger Menschen noch als nationalen Jugendring an. Infolgedessen erhält GoFor keine staatliche Förderung und hat nur eingeschränkte Möglichkeiten, jugendpoli- tische Anliegen in die öffentliche Debatte auf nationaler Ebene einzubringen. In der Türkei droht der zivilgesell-

In Kroatien ist der unabhängige nationale Jugendring (Croatian Youth Network, Mreža mladih Hrvatske, MMH) von der Regierung nicht offiziell als Nationaler Jugendring Kroatiens anerkannt. Stattdessen hat die Regierungs- partei kürzlich ein Nationales Jugendberatungsforum eingesetzt, um Mitglieder ihrer eigenen Jugendorganisa- tion als vermeintlich legitime Vertreter der kroatischen Jugend zu etablieren.

Kriminalisierung von Jugendorganisationen

Der selbstorganisierte belarusische nationale Jugendring RADA wurde 1992 gegründet und vertrat belarusische Jugendorganisationen bis zu seiner Auflösung durch das Oberste Gericht im Jahr 2006. Seitdem wurde RADA nicht mehr von den nationalen Behörden anerkannt. Aufgrund seines bedeutenden Einsatzes für die Rechte junger Menschen und demokratische Werte sieht sich RADA ständiger staatlicher Unterdrückung ausgesetzt. Nach der Niederschlagung der Revolution 2020 wurde RADA ins Exil gezwungen. Der Generalsekretärin von RADA und weiteren Aktiven droht eine mehrjährige Haft-

1 Die vorgeschlagene Änderung des türkischen Strafgesetzbuches sieht Haftstrafen von drei bis sieben Jahren vor. Sie richtet sich gegen Einzel­ personen oder Organisationen, die im angeblichen Auftrag eines ausländischen Staates oder im Interesse ausländischer Organisationen handeln. Kritiker*innen befürchten, dass sich die Gesetzesänderung auch gegen zivilgesellschaftliche Organisationen richten könnte, die Teile ihres Budgets aus dem Ausland beziehen.

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