Stadt geblieben, auch wenn sie Kinder bekommen haben. Wir sind in vielen Stadtteilen geradezu überrollt worden von den vielen Familien, die geblieben und eben nicht mehr ins Eigenheim an den Stadtrand gezogen sind. Das ist ein interessanter Prozess. Welche Stadtteile sind denn für junge Familien so attraktiv, dass sie in den Städten bleiben? Besonders die gründerzeitlichen Stadtteile wie der Prenz- lauer Berg in Berlin, Ottensen in Hamburg oder der Blücherplatz in Kiel. Diese Stadtteile sind im Vergleich zu den 90er-Jahren viel weicher geworden, viel familienkom- patibler. Die großen Plätze innerhalb der Stadtteile sind in Spielplätze umgewandelt worden. In den Erdgeschosszo- nen der Häuser sind Kinderspielräume, Eisgeschäfte oder Buchläden mit Kinderabteilungen entstanden. Es gibt viele Kitas und ein breites Angebot an Geschäften, die über kurze Wegstrecken erreichbar sind. Da hat sich unglaublich viel getan, und die Qualität des Lebens, des alltäglichen Lebens mit Familien in der inneren Stadt ist viel größer geworden. Die gründerzeitlichen Viertel sind Bestands- quartiere. Sind auch Neubauquartiere von dieser Reurbanisierung betroffen? Ja, tatsächlich. Ich war zwischen 2007 und 2017 bei der Hafen City GmbH Hamburg beschäftigt und für die Sozi- alplanung der Hafen City verantwortlich. Dort hatte man während der Planungen Ende der 90er-Jahre nicht damit gerechnet, dass besonders viele Familien in die Hafen City ziehen würden. Es kam aber völlig anders. Wir haben inzwi- schen in der Hafen City einen hohen Anteil von Familien, gerade mit kleinen Kindern. Darauf musste sich der Stadt- teil einstellen und ein Stück weit umplanen, unter anderem mit dem Bau von Spiel- und Sportplätzen und der Einrich- tung von deutlich mehr Kitas und Schulangeboten. Was macht einen Stadtteil familienfreundlich? Es braucht zunächst ein gutes Angebot an sozialer Infra- struktur, was Kitas und Schulen betrifft, dazu attraktive und sichere Grünräume, und natürlich Orte der Begeg- nung, des Aufenthalts, des Zusammenkommens, an denen sich die Menschen treffen können. Das zu entwickeln, ist ein wichtiges Thema. Und natürlich kommen noch andere Dinge dazu, wie Vereinsangebote und auch Verkehrsstruk- turen, die zum Beispiel sicheres Fahrradfahren auch für jüngere Kinder ermöglichen. All diese Dinge sind wich-
Prof. Dr. Marcus Menzl hat an der Technischen Hochschule Lübeck im Fachbereich Bauwesen die Professur für Soziologie der gebauten Umwelt inne und ist zugleich Studiengangsleiter für Stadtplanung. Wie Städte aussehen sollten, sodass Familien sich in ihnen wohlfühlen können, und wel- che Maßnahmen es für die Zukunft braucht, um der knappen Wohn- raumsituation zu begegnen, verrät er im Interview.
Familien zieht es zurück in urbane Viertel
BESONDERS GRÜNDERZEITLICHE STADTTEILE SIND GEFRAGT
Lange Zeit hat es Familien aufs Land gezogen, weil das Wohnen in der Stadt nicht mehr bezahlbar für sie ist, für andere war es mit Kindern in der Stadt nicht mehr attraktiv. Ist das noch immer so? Prof. Dr. Marcus Menzl: Wir haben heute nicht mehr die Situation wie Ende der 90er Jahre. Damals hatten die Stadtforscher diagnostiziert, dass die Städte verschwinden würden. Die Suburbanisierung, also dieser Prozess des Wanderns an den Stadtrand, war so dominant, dass die Städte gar nicht mehr die Kraft hatten, Bewohnerinnen und Bewohner zu halten. In den Nullerjahren und vor allen Dingen auch in den Zehnerjahren des 21. Jahrhunderts gab es den Prozess der sogenannten Reurbanisierung. Immer mehr Menschen sind in die Stadt zurückgezogen oder in der
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