Einfach Italien

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Südtirol ist Genossenschaftsland, fast 70 Prozent der in der kleinen Region produzierten Weine werden von Genossenschaften abgefüllt, und das hat seinen Grund in der Realteilung. Nachdem die mittelalterlichen Lehen nach und nach abgeschafft wurden und das Land in die Hände der Bauern überging, orientierten sich viele Länder an der im Heiligen Römischen Reich üblichen Aufteilung des landwirtschaftlichen Erbes auf alle, zumeist männlichen, Nachkommen. In Tirol hielt sich diese Tradition relativ uneingeschränkt sehr lange und führte dazu, dass die Parzellen, die man nutzen konnte, immer kleiner wurden. D er durchschnittliche Weinbergsbesitzer an Etsch und Eisack kommt auf nicht einmal einen Hektar. Natürlich zu wenig, um ein

1979 stieg der junge Luis Raifer als Geschäftsführer in die Genossenschaft ein. Er hatte auf seinen internationa- len Studienreisen revolutionäre Ideen entwickelt. Mehr Weißwein als Rotwein, warum nicht Sauvignon Blanc? Und der Rote sollte international konkurrenzfähig werden, also

KELLEREI SCHRECKBICHL

eigenes Weingut aufzumachen. Vor allem wurde der Wein ja lange Zeit hauptsächlich exportiert. Die Täler bildeten zwar

einen Haupthandelsweg über die Al- pen, aber die durchreisenden Händler ließen sich nicht mit den heutigen Tou- risten vergleichen, die natürlich haupt- sächlich Südtiroler Wein konsumieren. Den Export übernahmen spezielle Händler mit Beziehungen nach Wien, Mailand oder München. Ihnen war eher daran gelegen, billig einzukaufen und möglichst teuer zu verkaufen. Da- her sprach man sich meist untereinan- der ab, was man den Bauern anbieten würde. Ein klassisches Kartell.

pflanzte er auf seinem besten Wein- berg, dem Lafóa, die beiden Sauvi- gnon-Rebsorten: Blanc und Cabernet. Mit überragendem Erfolg. Bald folg- ten ihm die anderen Winzer und im- mer mehr wollten in diese moderne Genossenschaft eintreten. Obmann Maximilian Niedermayr lächelt, als wir das Wort „modern“ benutzen: „Ja, das sind wir“, meint er, „schaut euch nur unser neues Kellergebäude an.“ Er ergänzt: „Aber in Südtirol fühlt sich auch jeder der Tradition verpflichtet.“ Das macht das Land und auch seine

» IN SÜDTIROL FÜHLT SICH JEDER AUCH DER TRADITION VERPFLICHTET. « Max Niedermayr

Weine aus. Man hat hier keinerlei Berührungsängste, pro- biert gerne etwas aus, und doch hat man den Eindruck, dass hier alles schon immer so war. ◆

Erst Ende des 19. Jahrhunderts, mit verbesserter Logistik und dem Aufkommen des Tourismus, fingen die Bauern an, auch den Vertrieb in die eigenen Hände zu neh- men. Die ersten Genossenschaften wurden 1893 gegrün- det. Schreckbichl gehört da eher zu den jüngeren Betrie- ben. 1960 taten sich 26 Weinbauern aus dem kleinen Ort Schreckbichl-Colterenzio oberhalb von Bozen zusammen. Heute sind es 300 Mitglieder, davon fast 80 Weinbauern und Weinbäuerinnen. Der große Aufschwung für die Ge- nossenschaft kam mitten in der Krise. Südtirol war traditi- onell Rotweinland. Ende der 40er Jahre hatte man die un- fassbare Rebsorten-Vielfalt von rund 150 Sorten auf 30 Sorten reduziert. Leitrebsorte wurde der Vernatsch. Aber in den 70ern kamen die schweren und kraftvollen Rotwei- ne aus dem Süden und aus Übersee in Mode – und ehrlich gesagt: Die Qualität des Vernatsch war in aller Regel eher, sagen wir, mäßig.

| LINKS: STEFAN NIEDERMAIR (WEINBAUER) RECHTS: MARTIN LEMAYR (KELLERMEISTER/ÖNOLOGE)

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SEPTEMBER 2024

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