Einfach Italien

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Er lacht: „Ja, wir kennen alle die blumigen Geschich- ten, das ‚Marketing-Sprech‘, das es auch im Weinbau gibt. Wenn man etwas macht, muss man es messen“, da kommt der ehemalige Steueranwalt durch, „und dem Kunden auch zeigen, dass man es ernst meint und dass es kontrolliert wird. Sonst kann ich schließlich erzählen, was ich will …“ Hatten wir schon erwähnt, dass die berühmte deut- sche Mülltrennung gegen Micheles Ansprüche wie ein schlechter Witz erscheint? „Bei allem, was wir hier auf Sal- cheto verwenden, können wir eine Recyclingquote von 98 Prozent garantieren.“ Wahrscheinlich tüftelt er intensiv an den letzten zwei Prozent. „Wir machen das auch für die Menschen, die nach uns kommen“, ergänzt er nachdenk-

Noch bevor viele Studien in den letzten Jahren dies belegt haben, kam Michele dahinter, dass der Transport den größten Posten auf der rechnung darstellt. Wein selbst kann man schlecht konzentrieren und leichter machen, aber bei den Flaschen geht das. Also eine leichtere Flasche entwerfen. „Wir haben das als Projekt mit der Uni Mailand gestartet. Sie sollte leicht und trotzdem möglichst stabil und bruchfest sein. Das Aussehen war erst einmal zweitran- gig, aber ich finde, es ist auch ganz gut geworden“, erzählt er. „Doch am meisten verwundert hat mich, als ich ein altes Gemälde aus der Renaissance mit einer Weinflasche darauf sah, die unserer jetzigen ziemlich ähnlich war.“ Natürlich wurden auch die Kartons umgestaltet. Heute sind sie dün- ner und trotzdem stabil.

2020 NOBILE DI MONTEPULCIANO Salcheto | Toskana „Das war eines dieser Jahre, in denen nichts zusam- menpasste und uns die Natur am Ende doch belohnt hat“, meint Michele. „Spätfrost, ungewöhnlich für die Region. Dann war das Frühjahr sehr nass. Im Sommer gab es ein paar extreme Hitzewellen, die dann mit Starkregen und Hagel ausklangen, nun ja, wenigstens der Herbst war ganz passabel. Aber dann, als es zur Ernte ging, waren wir verwundert. Die Trauben schmeckten ziemlich gut, balanciert, und es war so gut wie keine Fäulnis darin. Sogar die Analysewerte waren erstaunlich.“ Michele nennt es „la meraviglia della natura“, aber viel- leicht ist es auch ein Stück der großartigen Arbeit, die man auf dem Weingut seit Jahren leistet, dass die Re- ben daran gewöhnt sind, mit schwierigen Bedingungen, gerade ohne Chemie und allzu viele Eingriffe, zurecht- zukommen. Der 2020er jedenfalls trägt sein „Nobile“ mit voller Berechtigung. Lavendel, schwarze Johannis- beeren, reife Kirschen im Duft mit einer herrlich seidi- gen Textur. Kein fordernder Wein, sondern ausgegli- chen und in sich ruhend. Er wirkt jetzt schon sehr gut entwickelt, aber der angenehme Amaro-Ton im Abgang zeigt, dass er auch noch reifen kann.

lich. „Aber wir müssen ebenso an die Menschen denken, die jetzt um uns herum sind. Das gehört für mich zum Begriff „Sustainability“ unbedingt dazu.“ Wohl wahr, gerade in der Landwirtschaft, zu der auch der Weinbau gehört, bedingen die niedri- gen Preise, die der Konsument erwar- tet, auch einen enormen Druck auf Löhne und Arbeitsbedingungen. Glückliche Menschen pflücken per- fekte Trauben für großartige Weine? „Ja, nicht immer“, meint er dazu. Auch eine angemessene Bezahlung zählt zu seinen Nachhaltigkeitskrite- rien. Und weil er von dem, was er macht, überzeugt ist, hat er bei einem Verein mitgewirkt, der Weingüter

Und dann das Thema Wasser, denn wer Wein machen will, benötigt erstaunlich viel sauberes Wasser. „Dass es viel schwieriger sein würde, wasser- als energieautark zu werden, hätte ich nicht gedacht.“ Aber auch das hat er hinbekommen. Im immer tro- ckener werdenden Italien ein sehr wichtiger Schritt. „Wir recyceln alles, inklusive unserer Wasch- und Spülma- schine, versteht sich“, ergänzt er grin- send. „Holzfässer“, sagt er, „wo kom- men die her, wie wird der Wald bewirtschaftet?“ Klar, dass er sich als einer der Ersten darum bemüht hat, dass auch die Fasshersteller nachhal- tig erwirtschaftetes Holz verwenden

» BEI ALLEM, WAS WIR HIER AUF SALCHETO VERWEN- DEN, KÖNNEN WIR EINE RECYCLINGQUOTE VON 98 PROZENT GARANTIEREN. « Michele Manelli

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zertifiziert und ihnen dabei hilft, zumindest ein bisschen so zu werden wie Salcheto. Dieser trägt den Namen: „Equali- tas“. Unser letzter Besuch auf Salcheto war voll mit In- formationen und sie schienen kein Ende zu nehmen. „Unser kulturelles Erbe“, erzählt Michele weiter, „könnt ihr oben in Montepulciano sehen. Die mittelalterliche Stadt, die Euro- päische Akademie für Musik und darstellende Kunst im al- ten Palazzo Ricci, all das gehört zu unserem kulturellen Erbe, aber ihr findet es auch auf unseren Tellern …“ Endlich wird es kulinarisch. Als Lob dieses Erbes und zu seiner Ehr- erbietung hat Michele eine kleine Osteria auf Salcheto ein- gerichtet: „Indigeno“ heißt sie und trägt den Untertitel „Cu- cina Terrestre“. Damit ist eigentlich fast alles gesagt. Natürlich bäckt man das Brot selbst und das Mehl dafür kommt vom Nachbarn, die meisten Gemüsearten wachsen im eigenen Garten und alles andere kommt von Bauern, die man gut kennt und die genauso arbeiten wie man selbst. So- gar die Trüffel sind absolut regional, die sammeln nämlich die beiden Brüder, die direkt oberhalb von Salcheto ein Weingut haben, auf ihrem und Micheles Grund. Daraus ent- steht keine Schickimicki-Küche, sondern Landküche in ih- rer perfekten Form. So traumhaft, dass wir immer noch nicht über die dazu sensationell gut passenden Weine ge- sprochen haben, aber das folgt jetzt hier … ◆

und das auch entsprechend dokumentieren. Der Kompost- haufen wird bei ihm zu einer philosophischen und biologi- schen Erörterung und gehört zum Nachhaltigkeitskreislauf selbstverständlich dazu. „Biodiversität ...“ Wir wissen, was er meint. Weinbau ist Natur, denken wir, aber er ist gezähmte Natur und oft ist er auch die völlige Abwesenheit von Natur außer der Vitis vinifera, der Weinrebe. Also hat Michele un- tersuchen lassen, wie sich die Natur um ihn herum durch seine Art zu wirtschaften verändert. Er hat Pflanzen gezählt, die viele für Unkraut halten, Insekten gesammelt und die Mi- kroorganismen im Boden untersuchen lassen. „Das war das Erstaunlichste“, erzählt er. „In einem Gramm gesundem Bo- den findet man bis zu einer Milliarde Mikroorganismen, mehrere tausend verschiedene Arten – Bakterien, Pilze, Pro- tozoen, Nematoden. Ich sage euch jetzt mal nicht, wie viele davon die jahrzehntelange Behandlung mit Herbiziden, Fun- giziden oder Stickstoffdünger überleben. Dabei sind sie alle wichtig für ein gutes Gleichgewicht und dafür, dass sich die Pflanzen gut entwickeln. In einer Monokultur, wie Wein eine ist, muss man sie besonders pflegen.“ Wir glauben Michele sofort, dass er mit jeder einzelnen Protozoe auf seinem Wein- gut per du ist. Irgendwo haben wir gelesen, dass Michele das erste Weingut weltweit betreibt, das den CO2-Fußabdruck einer einzelnen Flasche Wein errechnet und zertifiziert hat.

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1. | EIN BLICK AUF DIE GÄRTANKS: IM WEINGUT IST ALLES NACH- HALTIG KONZIPIERT. 2. | IM WEINKELLER: DAS LICHT KOMMT HIER ÜBER RÖHREN UND IST SONNENLICHT!

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