dass Patienten die Zustimmung zur Mitteilung von klinischem Material erteilen können und trotzdem das Gefühl haben, dass der Analytiker ihr Vertrauen missbraucht hat, mit potenziell schwerwiegenden Folgen für ihre Behandlung. Wie bereits erwähnt (siehe 2.7), hat neben der Möglichkeit, klinisches Material überhaupt nicht mitzuteilen, jede dem Analytiker zur Verfügung stehende Alternative ihre Grenzen und Risiken. Es kann nicht erwartet werden, dass ein Analytiker die Reaktionen eines Patienten immer dann erkennt oder korrekt vorhersagt, wenn Informationen mit anderen geteilt werden (Anonymous, 2013; Aron, 2000; Brendel, 2003; "Carter", 2003; Kantrowitz, 2004, 2005a, 2005b, 2006; Halpern, 2003; Robertson, 2016; Roth, 1974; Stoller, 1988). Einige Analytiker glauben, dass das durch die Bitte um Einwilligung ausgelöste interaktive Engagement im Gegenteil die aus ethischer Sicht zu ergreifende Maßnahme ist, die zu therapeutischem Nutzen und verbesserter wissenschaftlicher Genauigkeit führt, welche sich aus der Hinzufügung der Patientenperspektive ergibt. Diese Analytiker (Aron, 2000; Clulow, Wallwork & Sehon, 2015; Crastnopol, 1999, LaFarge, 2000; Pizer, 1992; Scharff, 2000; Stoller, 1988) haben weniger Hemmungen, die Behandlung mit eine Bitte um Einwilligung zu stören. Angesichts der Vielzahl komplexer klinischer Situationen, die in verschiedenen Phasen der psychoanalytischen Therapie auftreten, und der unterschiedlichen ethischen Positionen zu jeder dieser Situationen, die von Analytikern unterschiedlicher theoretischer Überzeugungen eingenommen werden können, ist es für die IPV nicht möglich, ein Standardverfahren für die Präsentation und Veröffentlichung von klinischem Material zu entwickeln, das ethisch einwandfrei und für alle Analysanden verallgemeinerbar wäre. Unsere ethische Verantwortung für den Schutz unserer Patienten und ihrer Behandlung geht über die strengen gesetzlichen Verpflichtungen hinaus. Selbst wenn die Anonymität der Patienten respektiert wird, so dass sie für andere nicht erkennbar sind, kann ihre Selbsterkennung negative Auswirkungen auf ihre Ansichten über ihre Analytiker, über sich selbst und über die laufenden oder abgeschlossenen Behandlungen haben. Aufgrund dieser Einschränkungen unserer Fähigkeit, auf unsere besonderen ethischen Entscheidungen zu vertrauen, schlagen wir zusätzlich zu unserer ethischen Verantwortung als individuell Praktizierende einen Ansatz der Interessengemeinschaft vor (Glaser, 2002), bei dem an mehreren Stellen bei der Entwicklung und Präsentation von klinischem Material Schutzmaßnahmen eingeführt werden und die Verantwortung für ihre Wirksamkeit von allen Beteiligten getragen wird. Ziel ist es, eine Kultur der Vertraulichkeit zu fördern, in der der Schutz der Privatsphäre und Würde des Patienten zu einem vorrangigen Anliegen an jedem Punkt der Entwicklung, des Austauschs und der Präsentation von klinischem Material wird.
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