Weinbrevier Deutschland

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BURKLIN- WOLF

Ich glaube, ich war sechs oder sieben Jahre alt, als ich zum ersten Mal mit meinen Eltern auf den Hof bei Dr. Bürklin-Wolf in Wachenheim gefahren bin. Damals, Anfang der 70er Jahre, spielte deutscher Wein für den Connaisseur keine Rolle. Meine Eltern allerdings betraten das Weingut mit einiger Hochachtung. Wir hatten immer mal wieder Weingüter auf unseren Wandertouren besucht, aber uns Kindern war sofort klar, dies hier war etwas Besonderes. Offensichtlich ging die Wein-Mode an meinen Eltern einfach vorbei. Sie kauften in himmlischer Ignoranz des Angesagten, vernünftigerweise was ihnen schmeckte und mussten irgendwie im Hinterkopf noch abgespeichert haben, dass ein Kirchenstück von Bürklin 50, 60 Jahre früher einer der gefragtesten Weine der Welt war. Es wanderten also einige Kisten vom einfachen bis zum guten Riesling in den Kofferraum und für die Kinder gab es einen extrem guten Riesling Traubensaft. So werden Geschmäcker geprägt! Etwas später, Mitte der 80er, trank man immer noch keinen deutschen Wein, wenn man was gelten wollte, aber in meinem Studentenhaushalt stand meist eine Flasche Liter-Riesling von Dr. Bürklin-Wolf im Kühlschrank – auch wenn mancher Kommilitone die Nase rümpfte und statt Riesling lieber Entre-deux-Mers haben wollte …

S . 70 siehe WEINLISTE

M ittlerweile gibt es bei Dr. Bürklin-Wolf keinen Schoppenwei n mehr, schade für die Studenten, aber dafür hat dann auch der eine oder andere Connaisseur die großen Weine aus der Pfalz wiederentdeckt. Ein langer Weg bis dahin. Das Weingut in Wachenheim war eines der ersten, die konsequent das burgundische Prinzip anwendeten. Große

braucht, um wirkliche Größe zu zeigen, kann dieser Zustand schon einmal ein paar Jahre dauern. Von heute aus betrachtet würde man sagen: visionär oder einfach auch erfreulich stur. Hätte man

jedenfalls meinem Vater 1974 erzählt, dass der Kirchenstück 250 DM kosten sollte, er aber aufgrund der großen Nachfrage nur drei Flaschen davon kaufen dürfe, wäre er sicherlich – sagen wir mal ‚irritiert‘ gewesen. Mittlerweile ist es aber so und irritiert ist niemand, denn jedem, der einmal ein gereiftes G.C. von Bürklin im Glas hatte, merkt sofort: das steht dem Grand Cru aus dem Burgund in nichts nach, es ist halt nur anders. Dass wir uns so langsam, man muss sagen „wieder “, an den Klang der großen Lagennamen gewöhnen und den

Lage statt Großlage, Größe definiert durch die Qualität der Weine, die entstanden, nicht durch die räumliche Ausdehnung. Da das damals, 1994, noch nicht so hieß und der Weinfreund wahrscheinlich auch den kleinen, aber gravierenden Unterschied, den das „e“ machte, nicht verstanden hätte, gab es eine einfach zu merkende Einteilung. P.C. steht seitdem für alles, was man heute wahrscheinlich als Erste Lage bezeichnen würde und G.C. für alles, was heute eine Große Lage ist. Einfach zu merken, weil natürlich die Analogie zum burgundi - schen Premier Cru und Grand Cru dahintersteckte. „Jetzt sind die verrückt

DASWEINGUT IN WACHENHEIMWAR EINES DER ERSTEN, DIE KONSEQUENT DAS BURGUNDISCHE PRINZIP ANWENDETEN.

V O R R E I T E R D E S T E R R O I R - G E D A N K E N S

geworden“, kommentierte mein damaliger Weinhändler, der der Meinung war, dass aus Deutschland zwar ‚nette Weinchen‘, große Weine, die dieses Attribut verdienten, aber natürlich aus Frankreich kämen. Begründetes Selbstbewusstsein wird so lange als verrückt wahrgenommen wie man nicht bemerkt, dass es begründet ist. In Geschmacksfragen und vor allem bei Wein, der ja immer ein wenig

1. | BETTINA BÜRKLIN-VON GURADZE

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