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W ein wirklich verstehen und nachfühlen kann man erst dann, wenn man sich das Terroir anschaut. Und das bedeutet eben noch ein wenig mehr als die bloße Herkunft. Terroir beinhaltet auch den Menschen, der das Land bearbeitet. Und wenn man sich bestimmte Charaktere im Wein ansieht, dann erkennt man sie sofort im Wein widergespiegelt. Dazu gehört auch Stephan Attmann, der im Weingut von Winning die Zügel in der Hand hält. Er gehört zu diesen Typen,, die mit einem Gedankensprung Strecken zurücklegen, für die andere eine langwieri - ge Herleitung bräuchten und der Vergnügen daran findet, vom Hölzchen aufs Stöckchen zu kommen. Unser Gespräch, soviel sei verraten, hat länger gedauert als geplant und umfasste von Geologie über Politik auch viel, viel Wein, über den Stephan ein enzyklopädisches Wissen angehäuft hat. Er hat nach seinem
G R O S S Z Ü G I G K E I T S T A T T K R A F T M E I E R E I VON WINNING
Dabei würde Stephan sofort lautstark widersprechen, wenn jemand unterstellen würde, dass seinen – oder auch ganz allgemein gesprochen Weinen mit Kraft – die Eleganz fehlt. „Zu dem Thema könnte man eine abendfüllende Verkostung machen. Allerdings bräuchte man dann auch viel Geld.“ Denn wenn man nach Frankreich schaut, sind die Weine, die Kraft und Eleganz vereinen, gleichzeitig auch die gefragtesten und kostspieligsten. „An so einem Abend müsste man dann schon Lafite, Latour und Jean-Louis Chave aufmachen. Da kommt keiner mehr auf die Idee, dass sich Kraft und Eleganz ausschließen.“ Denn, so sein Argument, letztlich geht es um
die Balance der verschiedenen Kompo - nenten, die nun mal auch stärker im Wein vorliegen dürfen, ja sogar sollten. „Ich halte nicht viel von so dünnen, kraftlosen Tropfen, die dann als elegant angepriesen werden.“ Das klingt jetzt vielleicht, als sei Stephan ein Kraftmeier, der keinen Sinn hat für die feinsinnigen Weine dieser Welt. Aber das stimmt überhaupt nicht, es geht ihm nicht um Kraft, sondern um Großzügigkeit. Übrigens hat er, bevor er in die Pfalz gekommen ist an der Saar und der Nahe gearbeitet und weiß auch Weine wie etwa die von Dönnhoff zu schätzen, die auf ihre eigene Weise beeindruckend sind. „Aber dahinter stehen eben auch ganz andere Persönlichkeiten als meine. Man könnte aus Lagen wie der Her - mannshöhle auch sehr druckvolle Weine machen, dieser Stil nicht naturgegeben, das ist deren Handschrift.“
» UNSER STIL IST SCHONDAVON GEPRÄGT,WAS ICH SELBSTMAG. INDIESER KONSEQUENZ WEISSWEIN IM HOLZ AUSZUBAUEN, DAS GAB ES ZUVOR NICHT IN DEUTSCHLAND. « Stephan Attmann
„schrecklich langweiligen Studium“ eine Winzerlehre gemacht und mehrere Jahre lang an der Saar und der Nahe gearbeitet. Trotzdem ist er aber bei von Winning weder im bäuerlichen Sinn Winzer noch im Sinn des Alchimisten, der im Keller den Most zu Gold macht. Er selbst würde sich am liebsten Regisseur nennen, wenn das im Deutschen nicht so überkandidelt klingen würde. Hierzulande sagt man Betriebsleiter zu seiner Rolle, was aber seinen Einfluss auf die Weine wiederum ein wenig unter den Scheffel stellt. „Unser Stil ist schon davon geprägt, was ich selbst mag. In dieser Konsequenz Weißwein im Holz auszu - bauen, das gab es zuvor nicht in Deutsch - land. Ich habe das einfach gemacht und hatte dann das große Glück, dass dieser Stil ankommt.“ Die Weine sind voller Absicht füllig und dicht, sie haben „Schmackes“, wie Stephan sagt. Er nimmt die Intensität in der Frucht und die rassige
Säure aus den Kalkböden seiner großen Pfälzer Lagen von ganzem Herzen wie eine Herausforderung an. Nur ist seine Lösung nicht, diese Kraft zu zügeln, sondern er lässt ihr freien Lauf und ergänzt sie um weitere Noten, die in ihrer Gesamtheit wieder eine Balance bilden. Auch deswegen hat er 400 Holzfässer im Keller, in denen Weißwein heranreift. Ein System oder eine tiefschürfende Marktana - lyse liegt dieser Entscheidung ganz und gar nicht zugrunde. Nur das Bestreben, Wein zu machen, der ihm und seinem extrovertierten Wesen entspricht. „Ich bin ein emotionaler Typ und
S . 74 siehe WEINLISTE
ich habe ein Team von begnadeten Leuten, die ebenfalls so sind. Das findet sich natürlich in den Weinen wieder. Hier ist viel Herzblut drin.“ Und weil Blut dicker ist als Wasser, sind auch die Weine bei Von Winning so wie sie sind.
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1. | TOP-LAGEN IN DER MITTELHAARDT 2. | „ EIN TEAM VON
BEGNADETEN LEUTEN“ – STEPHAN ATTMANN
Bild: Fotograf Markus Bassler
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