Weshalb duale
Die duale Berufsbildung ist je länger, je mehr auch imAusland gefragt. Rudolf Strahm, ehe- maliger Preisüberwacher und vehementer Verfechter der dualen Ausbildung, hat die Gründe dafür aufgeführt: In zahlreichen Län- dern herrscht grosse (Jugend-)Arbeitslosig- keit und viele Länder befinden sich zudem in einer Akademisierungsfalle – sie haben sehr viele Uni-Abgänger, die das praktische Hand- werk dann aber zu wenig beherrschen, um arbeiten zu können. Dazu kommt, dass ange- sichts der technologischen Entwicklung ein Mangel an hochqualifizierten Fachkräften besteht – sogar in den USA. Mit der dualen Berufsbildung kann vielen dieser Probleme entgegengewirkt werden. In Guinea gibt es – vereinfacht gesagt – zwei Sorten von Menschen: «les personnes réussies», also die Erfolgreichen, und «les personnes non réussies», die Versager. Als erfolgreich gilt, wer ein Studium gemacht hat, auch wenn er danach als Mototaxi-Fahrer arbeitet. Alle anderen, in Guinea also rund 97 Prozent der Menschen, sind Versager. Na, das sind ja schöne Aussichten … SAM global leitet in Guinea drei Berufsbildungs- projekte, um jungen Männern und Frauen eine solide Ausbildung und dadurch eine bessere Perspektive für die Zukunft zu bieten. Alle drei Projekte arbeiten nach dem dualen Modell: wenig, aber angepasste Theorie, dafür viel Pra- xis und Anwendung des Gelernten. Besonders wichtig ist zudem, dass die Ausbildung kultur- angepasst erfolgt und die Lehrlinge gut auf die Realität des Marktes vor Ort vorbereitet werden. Lehre beim afrikanischen Meister Auch in Guinea gibt es eine Art Berufsausbil- dung. Das Problem dabei: Ein richtiger afrikani- scher «Meister» hält die Lehrlinge oft bewusst auf tiefem Niveau und gibt ihnen selten bis nie Einblick in seine «Berufsgeheimnisse». Die Vor- teile für denMeister: Die Lehrzeit dauert dadurch 6–8 Jahre, wodurch er jahrelang eine günstige Arbeitskraft hat. Gleichzeitig muss er sich keine Sorgen machen, dass der Lehrling nach der Aus- bildung zur Konkurrenz für ihn wird. Häufig sind die Meister selber nicht sonderlich gut ausgebil- det und überhaupt nicht auf dem neusten Stand der Technik. Über den Meister hinauswachsen Die Einstellung dieser Meister ist ein Grund da- für, weshalb es wenig Entwicklung gibt. Immer wieder betone ich deshalb in meinen Ausbil- dungsprogrammen, dass es mein grösster Stolz ist, wenn ein Lehrling über mich als anerkannter Lehrmeister hinauswächst und eine Arbeit ge- schickter oder kompetenter ausführen kann als ich. Ich bringe ihnen alles bei, was ich weiss und kann – und je besser die Lehrlinge werden, des- to motivierter sind sie, noch mehr zu lernen. Sie spornen sich gegenseitig an, wodurch das Ni-
veau und die Qualität der Arbeit immer mehr steigen – und auch die Kundenzu- friedenheit. Unwissenheit erzeugt Scham Ein Beispiel dazu: Ein Meis- ter in Kissidougou namens Ojé hat schon mehrmals die Federung unseres VWs repariert. Einmal will das Auto nach erfolgter Repa- ratur bei der Probefahrt aber nicht geradeaus fah- ren, sondern es zieht wie ein übermütiges Pferd von links nach rechts. Stand- haft wehrt sich Meister Ojé zuerst, in unsere Werkstatt mitzukommen und die notwendigen Reparaturen und Einstellungen dort gemeinsam mit mir vorzu- nehmen. Nach längerem «Palaver» mit allen Über- zeugungskünsten willigt er ein, zusammen mit sei- nen Lehrlingen (die aber keine Schule besuchen!) zu uns zu kommen. Von Lenkgeometrie versteht er nicht viel – kann er ja auch nicht, weil er selber nie le- sen gelernt hat und sein ehemaliger Meister auch nur wenig darüber wuss- te. Diese Unwissenheit erzeugt Scham und in der Schamkultur versucht man das wenn immer möglich zu vermeiden. Aber mit einigen Erklärungen, prak- tischen Beispielen und viel Geduld beginnt er zu ver- stehen, wie das Fahrwerk mit Schnur, Senkblei und Metermass gezähmt wer- den kann, sodass der VW jetzt ordentlich geradeaus fährt. Nebenbei bemerkt: Der guineische Bildungsmi- nister hat unsere Anstren- gungen mit Wohlwollen beobachtet und uns jetzt ermutigt, zusätzlich eine Ausbildung zum Landma- schinenmechaniker im du- alen System anzubieten. Fredi RAYMANN, ProTIM 2-2-2 Kissidougou
Berufsbildung so wichtig ist
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