03-2018 D

Bildung und Glaube – gibt es einen Zusammenhang?

Im Tschad haben vor allem ältere Menschen aus dem Süden ein hohes Bildungsniveau, da sie noch vor oder gerade nach dem Erlangen der Unabhängigkeit 1960 ihre Ausbildung absolvieren konnten. Im Laufe der darauffolgenden Jahre sank das Niveau an den öffentlichen Schulen nach und nach und befindet sich nun auf einem Tiefpunkt. Ein Grund dafür ist, dass man mit der Unabhängigkeit auch vom Schul- system der Kolonialherren wegkommen wollte, sah man doch hinter diesem die westliche Kultur und das Christentum. Und dies, obwohl die öffentlichen Schu- len schon seit längerem laizistisch, also getrennt von der Kirche, geführt wurden. Heutzutage hängt das Bildungsniveau einer Person im Tschad stark vom sozialen Status der Familie ab. Wir be- gegnen hier sehr häufig Muslimen, die nicht lesen und schreiben können und die sich auch nicht darum be- mühen, dass ihre Kinder zur Schule gehen können. Ihre Denkweise ist oft von Fatalismus geprägt. Einige sagen: «Es ist nicht schlimm, wenn mein Kind nicht lesen kann. Gott wird eine Lösung finden.» Wir kennen Kinder in un- serer Ortschaft, die ganz in der Nähe der öffentlichen Schule wohnen, aber nicht für den Unterricht einge- schrieben sind. Wir beobachten, dass sie häufig schon im Alter von 12 oder 13 Jahren mit Komplexen und Eifer- sucht gegenüber denjenigen Kindern, die zur Schule ge- hen, zu kämpfen haben. Sie werden kein einfaches Leben haben. Oft melden sich solche Jungs früh für die Armee und werden an die Front geschickt. Im Dorf selber sind ihre Zukunftsaussichten alles andere als rosig: Durch die Ausbreitung der Dörfer und Städte verschwinden die kul- tivierbaren Böden zunehmend. Es wird schwieriger, von der Landwirtschaft zu leben, und eine andere Arbeit zu finden, ist ohne Ausbildung fast unmöglich – denn häu- fig können diese Kinder auch nicht lesen, schreiben oder rechnen.

Kinder in eine Schule mit einer anderen Glaubensgrundla- ge zu schicken? Mögliche Antworten: • Gut ausgebildeten Muslimen ist bewusst, wie schwie rig das Leben für diejenigen ist, die keine Bildung haben. Sie haben keine Berufschancen und stehen am Rand der Gesellschaft. Durch Bildung öffnen sich jedoch Türen in ganz unterschiedliche Gebiete. Für diese Muslime ist Bildung nicht gleichbedeutend mit «Verwestlichung», also mit der Übernahme von Ideen, Verhaltensweisen und Strukturen aus der westlichen Welt. Für sie ist die Qualität der Ausbildung wichtiger als der religiöse Aspekt. • Christliche Schulen im Tschad sind bekannt dafür, dass die Lehrpersonen den Kindern freundlich begeg- nen und sich gut um sie kümmern. Sie gehen auf all- fällige Schwierigkeiten der Schülerinnen und Schüler ein und pflegen Kontakt zu den Familien. • Die christlichen Lehrpersonen verhalten sich vorbild- • lich, sie rauchen und trinken nicht. • An den Privatschulen gibt es kaum je Streiks und die Lehrer sind selten abwesend. • Da die Kinder auch Ansichten kennenlernen, die sich von denjenigen der Eltern unterscheiden, gewinnen sie an Reife und erwerben die Kompetenz, zu disku- tieren und eigene Standpunkte zu vertreten. Sie er- halten eine differenziertere Sicht der Welt, die ihnen erlaubt, gut durchdachte Entscheidungen zu treffen. Ein langer Weg, der sich lohnt Es ist interessant, festzustellen, dass sich die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler, die eine höhere christliche Schule abgeschlossen haben, im Leben gut bewähren. Sie zeichnen sich durch Aufrichtigkeit, Integrität und Treue aus und machen dadurch einen Unterschied in der Bevöl- kerung. Der Weg ist lange, aber wir sind überzeugt, dass eine Ausbildung, die auf biblischen Prinzipien beruht, zu einer positiven Entwicklung der Gesellschaft beiträgt.

Muslimische Kinder an christlichen Schulen

Gleichzeitig kennen wir viele gut gebildete Muslime, die, wenn sie die Mittel dafür haben, ihre Kinder an eine der privaten christlichen Schulen schicken, von denen es im Tschad mehrere gibt. Warum sind diese Eltern bereit, ihre

Florent NANG-TOUR & Patricia MOSER, ProRADJA’, Tschad

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