EUROPA/ZENTRALASIEN
GROSSBRITANNIEN Vorzeitige Wahlen: Briten auf neuem Weg?
mehr auf die oppositionelle Labour-Partei, die in Wahlumfragen auf einen komfortablen Vorsprung von im Schnitt 20 Prozentpunkten gegenüber den Tories kommt. Mehr Sicherheit bei der Energieversorgung Auch vor Veröffentlichung der Wahlprogramme sind die Eckpfeiler des Labour-Programms und ihrem Vorsitzenden Keir Starmer weitge- hend bekannt. Das von der Schatten- finanzministerin Rachel Reeves 2023 vorgestellte „Securonomics“-Konzept will die Rolle des Staates stärken, um wirtschaftliche Resilienz und nationa- le Sicherheitsinteressen zu vereinen. Das gilt insbesondere für die Energie- wirtschaft, deren Umbau die nationa- le Versorgungssicherheit des Landes gewährleisten soll. Das konkretisiert der erstmals im September 2021 veröffentlichte „Green Prosperity Plan“, der unter an- derem die Entwicklung von Projekten zur Stromerzeugung aus erneuerba- ren Quellen wie Wind- und Solar- energie vorsieht. Eine zentrale Rolle dabei soll der zu gründende staatliche Akteur „GB Energy“ einnehmen, der dazu beitragen soll, diese Projekte zu kofinanzieren und die Realisierung zu beschleunigen. Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit „Securonomics“ setzt auch auf eine Industriestrategie, die das Land im Wettbewerb mit den USA und der EU stärkt. Die Labour-Partei schließt eine Rückkehr in eine Zollunion mit der EU deshalb aus, will das Verhält- nis zur Union als wichtigem Partner aber neu aufsetzen und intensivieren. Einerseits vermeidet die Partei im Wahlkampf eine zu europhile Posi-
tion, möchte aber die wirtschaftlichen Beziehungen zur EU durch ein ge- meinsames Veterinärabkommen und der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen stützen. Die Überprüfung des Handels- und Ko- operationsabkommens im Jahr 2026 fällt in die Legislaturperiode der nächsten Regierung und bietet die Chance, die bilateralen Beziehungen zu verbessern. Zaghafte Wachstumssignale der Wirtschaft Die unerwartet frühen Unter- hauswahlen werden die kurzfristi- gen Wachstumsprognosen für die britische Wirtschaft wahrscheinlich nicht beeinflussen. Die Analysten von Oxford Economics begründen diese Einschätzung vor allem damit, dass der mögliche Regierungswechsel auf- grund des großen Labour-Vorsprungs bei den meisten Marktbeobachtern bereits eingepreist und keine fiskal- politische Wende zu erwarten sei. Ohnehin verbessert sich die briti- sche Wirtschaftslage nach der milden Rezession im 2. Halbjahr 2023 wieder zaghaft. So stieg das Bruttoinlands- produkt im 1. Quartal 2024 real um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorjah- reszeitraum und wird im Jahresver- lauf weiter an Fahrt gewinnen. Für das Gesamtjahr prognostiziert Oxford Economics bereits ein Wachstum von 0,9 Prozent. Von realwirtschaftlicher Dynamik kann noch keine Rede sein. Treiber ist der Staatskonsum. Dabei bleibt die Staatsschuldenquote mit rund 98 Prozent hoch. Sowohl die Kon- servativen als auch die Labour-Partei versprechen eine Senkung der Staats- schulden und setzen sich damit einen verantwortungsvollen aber fiskalisch engen Spielraum. GTAI/IHK
Wird er der neue Premierminister? Sir Keir Starmer, Vorsitzender der Labour-Partei, bei einer Rede im britischen Unterhaus.
Während sich die Konjunktur erholt, deuten die Zeichen im britischen Wahlkampf auf einen Regierungswechsel hin. Unabhängig vom Ergebnis bleibt der fiskalische Spielraum gering. Wahlkampf im Turbo-Modus Premierminister Rishi Sunak über- raschte auch Politikexperten mit der Entscheidung, die Unterhauswahlen schon für den 4. Juli 2024 anzuset- zen. Zuvor wurde erwartet, dass die Wahlen im Herbst stattfinden wür- den. Jetzt schaltet die britische Insel in einen sechswöchigen Wahlkampf- Turbo. Dabei richten sich die Augen weniger auf die Tories, sondern viel-
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IHK Global Business 07/2024
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