P.M. Schneller Schlau

Wie finden Pinguine ihre Partner in Kolonien? Seite 12

Verbirgt sich ein Planet im Innern der Erde? Seite 50

Was tun Reiseziele gegen Overtourism? Seite 6

PETER DER GROSSE

NIKOLAUS I.

RUSSLANDS

ZAREN

Wer sind PUTINS

VORBILDER? Seite 20

ALEXANDER III.

Noch mehr Antworten in unserem WISSENS-PODCAST

HOTSPOTS DER

LANGLEBIGKEIT

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Wie führt man ein langes und gesundes Leben? Weisheiten der Jahrhunderte kombiniert mit den Erkenntnissen der modernsten Forschung.

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EDITORIAL

P.M. THEMA Die Macht des Alltäglichen Geld regiert die Welt – und viele unserer Entscheidungen: eine Sonderausgabe über Ursprünge, Wirkung und Zukunft des Geldes.

Tilman Botzenhardt, Redaktion

Kohle, Zaster, Penunzen: Wir kennen viele Wörter für Geld. Und trotzdem

Liebe Leserin, lieber Leser,

sprechen wir selten über das, was in unseren Portemonnaies los ist. Dabei beherrscht diese abstrakte menschliche Erfindung Politik und Psyche wie kaum etwas anderes. Doch wie entstanden unser Finanzsystem und der Kapitalismus? Mit welchen Tricks ziehen Marketingprofis uns das Geld aus der Tasche? Macht Reichtum glücklich? Wie funktionieren Kryptowährungen? Warum wird

in wenigen Wochen wählt Russland seinen nächsten Präsidenten. Kaum jemand zweifelt daran, dass Wladimir Putin bei dieser Wahl ohne echte Oppo- sition in seinem Amt bestätigt wird. Seit 1999 leitet er zunehmend autokratisch die Geschicke des Landes. Und sollte er für weitere sechs Jahre Präsident blei- ben, wird er Russland länger regiert haben als jeder andere Staatschef seit Katharina der Großen, die von 1762 bis 1796 als Kaiserin herrschte. So ein Ver- gleich dürfte nach Putins Geschmack sein: Wenn er sein Handeln legitimiert, bezieht der Machthaber sich auffällig oft auf historische Vorbilder, darunter Zaren wie Peter der Große, Nikolaus I. oder Alexander III. Wie diese Herrscher in Russland und Europa wirkten und inwiefern sie Putin als Vorbilder tau- gen, beschreibt Katrin Maike Sedlmair in unserer Titelgeschichte. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre!

der Euro digital? Und: Kann man mit 40 in Rente gehen? Diesen und vielen weiteren Themen widmet sich P.M. in einer Sonderausgabe.

P.M. THEMA kostet 6,50 Euro. Erhältlich im Handel – oder zum Bestellen den QR-Code scannen

» SCHNELLER SCHLAU « Der Wissens-Podcast von P.M. Wie funktioniert Winterschlaf? Warum ist Beton so schädlich für das Klima? Wer waren die Räuberba- rone? Und warum verkalken Wasserkocher andau- ernd? Solche Fragen beantworten P.M.-Redakteure auch zum Hören, im Format »Schneller schlau«.

Wir beschreiben erstaunliche Phänomene in Natur und Wis- senschaft, Amüsantes aus der Gesellschaft und Relevantes aus Politik und Geschichte. Überall, wo es Podcasts gibt, oder auf www.audionow.de

Mit herzlichen Grüßen

Tilman Botzenhardt

IHRE FRAGEN – UNSERE ANTWORTEN Haben Sie eine Frage, von der Sie glauben, sie könnte auch andere Leser interessieren? Dann schicken Sie sie uns! Wir werden die Antwort finden und beides veröffentlichen. Schreiben Sie Ihre E-Mail an: pm-redaktion@verlagshaus.de

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50 Verbirgt sich ein Planet im Innern der Erde?

63 Entscheidet unser Partner darüber, wie gut wir schlafen?

14 Welche Geschenke machen sich Tiere?

06 AKTUELL  Was tun Reiseziele gegen Overtourism? 12 NATUR  Woran erkennen Pinguine in Kolonien ihren Partner?  Welche Geschenke machen sich Tiere?  Sind Kolibris im Flug noch geschickter als gedacht?  Wo profitieren Mangroven vom Anstieg ydes Meeresspiegels?  Kann Gentechnik Hühner gegen Vogelgrippe immun machen?  Wie schädlich ist Glyphosat für Amphibien?  Warum staunen Fachleute über kooperierende Bonobos?  Reisen Ratten in Gedanken?  Wie schützen Eisvögel das Gehirn bei ihren Sturzflügen ins Wasser? 20 TITEL Russlands Zaren - Wer sind Putins Vorbilder?

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GESCHICHTE  Waren die ersten amerikanischen Cowboys afrikanische Sklaven?  Seit wann gibt es … Playmobil?

 Seit wann tragen die Menschen Espadrilles?  Brachte ein Komet den Ackerbau auf die Erde?  Wer erfand den Jacuzzi?  Wann kamen die ersten Menschen nach Amerika?  Wo im spätmittelalterlichen England wurden die meisten Morde verübt?  Warum sagen wir … »trivial«?

Rubriken 71 Impressum 72 Leserfrage des Monats, Leserservice & Rätsel 74 Vorschau



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34 Welches Land in der EU hat die wenigsten Schulden?

28 Seit wann gibt es … Playmobil?

66 Steigert das Zeitungssterben die Wirtschaftskriminalität?

54 GESUNDHEIT  Ist Sport auf leeren Magen gefährlich?  Wie kann die Wissenschaft den Gebrauch von Versuchstieren reduzieren?  Kann man sich mit einem Baumpilz anstecken?  Was ist ein Riechtraining?  Stimmt es, dass Herzinfarkte an bestimmten Wochentagen häufiger auftreten?  Wie gefährlich ist das Denguefieber? 60 PSYCHOLOGIE  Essen oder Musik – was weckt mehr spontane Erinnerungen?  Gibt es auf Ebay ein perfektes erstes Angebot?  Macht Stress uns impulsiver?  Entscheidet unser Partner darüber, wie gut wir schlafen?  Hat man bessere Freunde, wenn man sich schlecht mit seinen Eltern versteht?  Gibt es einen Trick, um Menschen aus der Arbeitslosigkeit zu helfen? 66 GESELLSCHAFT  Steigert das Zeitungssterben die Wirtschaftskriminalität?  Was steckt hinter der Frauensteuer?

 Welche Auswirkungen hatte der mittelalterliche Walfang? 34 POLITIK  Welches Land in der EU hat die wenigsten Schulden?  Wo löste Google Maps einen Grenzkonflikt aus?  Erhielt Ungarn von der BRD Geld für die Öffnung des Eisernen Vorhangs?  Wie entstand der politische Aschermittwoch? 38 FREIZEIT  Was sind alpine Perlen?  Welche gesunde Frucht schmeckt nach Schokopudding?  Wo leben Menschen auf einem aktiven Vulkan?  Was ist Forgotify?  Wo fliegen eine Woche lang glühende Holzstücke ins Tal?  Wo steht das größte Bürogebäude der Welt? 46 TECHNIK  Wie funktioniert eine Einparkhilfe für Containerschiffe?  Was schützt uns vor Gammastrahlen?  Wie kommunizieren wir künftig im Weltraum?  Wer hält den Rekord im Rückwärtsfahren? 50 WISSENSCHAFT

 Was machen Kartonretter?  Wie sehen KoDörfer aus?

 Verbirgt sich ein Planet im Innern der Erde?  Welcher Dinosaurier lebte unter der Erde?  Wie viele Zellen hat ein Mensch?  Was macht die neue Raumfähre Dream Chaser so besonders?

 Kann man seine Staatsbürgerschaft zurückgeben?  Ist es erlaubt, seine Kinder mit Hausarrest zu bestrafen?  Wie wird Fahren mit Blaulicht bestraft? Recht im Alltag

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AKTUELL

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Hotspot für die Selbstdarstellung: Die griechische Insel Santorin ist beliebt bei Touristen – auch, um ein Foto des Sonnenuntergangs zu ergattern

Was tun Reiseziele gegen Overtourism ? Weltweit kriselt es zwischen beliebten Reisezielen und ihren Gästen: Zu groß ist der Ansturm der Besucher. Die Suche nach Lösungen läuft auf Hochtouren Text: Jenny Niederstadt

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AKTUELL

D ie Reaktionen wirken oft ver- zweifelt: Die Urlaubsinsel Bali etwa tackert ihren Gästen seit diesem Sommer eine Seite mit Benimmregeln in den Pass – gleich bei Ankunft am Flughafen. Die Besucher mögen sich bitte höflich verhalten, nach einem Picknick ihren Müll mitnehmen und religiöse Stätten respektieren, heißt es da. Das berühmte italienische Hafen- städtchen Portofino wiederum verbietet

der Stadt hemmungslos ausnutzen. 2021 begrenzte sie die Zahl der erlaubten Gäste deshalb bereits auf 20 Millionen pro Jahr. Immer noch eine gewaltige Menge: In den gesamten Niederlanden wohnen nur 17 Millionen Menschen. Beispiele wie diese zeigen: Weltweit kriselt es zwischen beliebten Reisezielen und den Gästen. Immer öfter protestie- ren Anwohner gegen den Besucheran- sturm, sei es in Barcelona oder Venedig,

weltweit knapp 700 Millionen Menschen pro Jahr auf Reisen, sind es heute bereits mehr als doppelt so viele: 1,5 Milliarden, die Hälfte davon in Europa. Viele Gründe haben zu diesem Boom beigetragen: So verdienen etwa heute auch Menschen in den Schwellenländern genug, um sich Urlaube in beliebten Reiseregionen leis- ten zu können. Verbilligte Flugpreise wiederum haben Wochenendreisen populär gemacht, und neue Buchungs- portale erlauben den Zugriff auf Hotel- zimmer und Ferienwohnungen mitten im Zentrum von Weltstädten. Und weil international auch die Zahl der Kreuz- fahrtschiffe steigt, werden immer mehr Küstenorte überrannt. Berühmtes Beispiel: Dubrovnik in Kroatien. 1,5 Mil- lionen Menschen besuchen die trutzig- mediterrane Mittelalterstadt pro Jahr, darunter viele Serienfans, schließlich wurden hier Szenen der Reihe »Game of Thrones« gedreht. Die Zahl der Besucher

auf Mallorca oder in Berlin. Sie ärgern sich über volle Strände und Gassen, erleben, wie ganze Stadtviertel von Vermietungs- plattformen wie Airbnb ge- kapert werden, und fordern mehr Raum für ihr Privatleben. Denn das geht in den Touristen- Hotspots zunehmend verloren: Im österreichischen Bilderbuch- dorf Hallstatt etwa werden selbst Trauerzüge zum Friedhof von Gästen gefilmt – und am Ende beklatscht. Das Phänomen Overtourism wird für immer mehr Regionen zum Problem: Es drohe eine Schieflage, warnt Tourismus- experte Harald Pechlaner von der Katholischen Universität

Vielerorts drängen sich Reisende schon am frühen Morgen, etwa hier am Kolosseum in Rom

Touristen seit Neuestem, an der maleri- schen Hafenpromenade auch nur stehen zu bleiben. So will der Bürgermeister blockierte Gehwege verhindern. Wer dennoch stoppt, muss bis zu 275 Euro Strafe zahlen. Und die niederländische Metropole Amsterdam geht mittlerweile rigoros gegen Partytouristen vor: Junge Briten, die im Netz nach Begriffen wie »Kneipentour Amsterdam« oder »billi- ges Hotel Amsterdam« suchen, werden mit einem Video konfrontiert. Es zeigt Reisende, die sich im Rausch daneben- benehmen und danach von der Polizei in Handschellen gelegt und hinter Gitter gebracht werden. Der Film endet mit dem Hinweis: Stay away – bleib weg! TOURISTEN KLATSCHEN SOGAR BEI TRAUERUMZÜGEN Eine Mahnung. Denn schon seit Jahren beschweren sich die Bewohner Amster- dams über grölende Spaßtouristen, die an Hauswände pinkeln, Prostituierte begaffen und die liberale Drogenpolitik

Eichstätt-Ingolstadt. Denn einerseits mache sich selbst in Gemeinden, die wirtschaftlich vom Tourismus profitie- ren, der Unmut über die Gäste breit. Denen begegnet man dort dann oft gleichgültig oder sogar offen ablehnend. »Andererseits sind auch die Touristen selbst unzufrieden: Sie haben vielleicht lange auf den Urlaub gespart, hatten sich auf schöne Erlebnisse oder besondere Begegnungen mit den Menschen vor Ort gefreut – und stehen stattdessen nur Schlange, um eine Attraktion zu sehen, ein Ausflugsboot zu mieten oder einen Tisch in einem überteuerten und wenig authentischen Restaurant zu ergattern.« Schlimmstenfalls verärgern besonders beliebte Regionen also zunächst ihre Be- wohner – und könnten danach auch noch die Besucher verlieren, so Pechlaner. Klar ist: Berühmte Ziele wie Paris, Rom oder Schloss Neuschwanstein locken seit Langem viele Besucher an. Doch deren Zahl hat sich in den letzten Jahren rasant gesteigert: Waren 2003

Auch Strapazen und Risiken schrecken viele Menschen nicht ab: In einer langen Kette erklimmen Wanderer den Gipfel der Zugspitze

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übersteigt damit die der Einwohner um das Zwanzigfache. Und in der Altstadt, nur 300 mal 400 Meter groß, existieren kaum mehr Lebensmittelläden für die Bevölkerung – aber 107 Souvenirshops und 143 Restaurants. SPUR AUS MÜLL UND FÄKALIEN IM HOCHGEBIRGE Zusätzlich lässt das Smartphone den Overtourism unberechenbarer werden. Denn Plattformen wie Instagram können einzelne Spots über Nacht zum Trendziel machen. So erging es etwa einem Gipfel in den Anden: Lange galt der Rainbow Mountain in Peru als Geheimtipp, nur knapp 500 Wanderer erklommen ihn pro Jahr. Dann landete ein Foto seiner beein- druckend farbigen Flanke im Netz und sorgte für einen Besucher-Hype. Heute kommen bis zu 700 Menschen täglich ins Hochgebirge und hinterlassen eine Spur aus Müll und Fäkalien. Auf den plötz-

» An sensiblen Orten reichen wenige Hundert, um zur Belastung zu werden «

lichen Ansturm ist die entlegene Region nicht vorbereitet, eine Infrastruktur zur Versorgung der Touristen existiert nur bruchstückhaft. »Overtourism kann heute jede Gemeinde treffen: Ein Foto und genügend Follower reichen«, sagt Antje Monshausen von Tourism Watch, einem Informationsdienst der Hilfsorga- nisation Brot für die Welt. Je nach Größe des Orts müssen dann noch nicht einmal mehrere Millionen Besucher pro Jahr kommen wie in Amsterdam, Paris oder Prag. »An sensiblen Orten reichen schon einige Tausend oder sogar wenige Hundert, um zur Belastung zu werden«, so die Expertin für Tourismus in Ent- wicklungsländern. Denn auch dort kämpfen Gemeinden mit Overtourism –

zum Beispiel rund um die berühmte Inkasiedlung Machu Picchu in Peru oder nahe der prachtvollen Tempelsiedlung Angkor Wat in Kambodscha. Wissenschaftlich lässt sich das Phänomen Overtourism nicht klar defi- nieren. In der Vergangenheit versuchten Forscher zwar, eine Belastungsgrenze festzulegen, ab der Reisende zum Pro- blem werden. Strände zum Beispiel seien mit mehr als 600 Gästen pro Hektar zu voll, hieß es. Oder: Städte könnten nur 930 000 Menschen pro Quadratkilome- ter und Jahr vertragen. Doch derartige Werte gelten heute als überholt, erklärt Tourismusforscher Pechlaner. Schließ- lich seien die Regionen ganz unter- schiedlich belastet, je nach der Größe

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AKTUELL

Weitverbreitet sind etwa Kontingent- lösungen: Nur eine gewisse Anzahl an Urlaubern wird dann in ein Museum, an einen Strand oder auf einen Wanderweg gelassen. Besonders konsequent hat dieses Konzept die italienische Ferien- region Südtirol umgesetzt: Sie sperrt in den Sommermonaten die Zufahrts- straßen zu beliebten Orten wie dem Pragser Wildsee oder zum Bergmassiv Drei Zinnen. Nur Anwohner dürfen die Kontrollpunkte passieren, außerdem Besucher, die zuvor einen Parkplatz reserviert haben. Alle anderen werden abgewiesen, können allerdings per Bus anreisen, denn der öffentliche Nah- verkehr wurde massiv ausgebaut – wo- von auch die Bevölkerung profitiert. Im vergangenen Jahr verhängte die Region zusätzlich einen Bettenstopp: Es dürfen keine weiteren Übernachtungsmöglich- keiten geschaffen werden. Auch technische Lösungen helfen dabei, die Touristenströme zu lenken: Barcelona etwa informiert per App darüber, welche Sehenswürdigkeiten

nachdenken oder bestimmte Abschnitte sperren«, erklärt Neele Larondelle vom Verband Nationale Naturlandschaften, einem Zusammenschluss der deutschen Schutzgebiete. Im Büsenbachtal, einem schlagartig beliebt gewordenen Aus- flugsziel in der Lüneburger Heide, zählt seit dem vergangenen Jahr zudem eine Besucherampel den Zustrom an Gästen.

und Lage. Auch ökologisch sind einige Ziele sensibler als andere: Thailands be- rühmte Maya Bay etwa verlor innerhalb weniger Jahre knapp 80 Prozent ihrer Korallenbänke, seit die Traumbucht pro- minent in einem Hollywood-Blockbuster auftauchte. Der danach einsetzende Massenandrang von Touristen vertrieb auch die dort heimischen Riffhaie. 2018 sperrte die Regierung daher den Strand, zunächst erholte sich das Naturparadies, und die Tiere kehrten in großer Zahl zu- rück. Doch vor Kurzem öffnete Thailand den Strand wieder für Besucher – auf Druck der Tourismusindustrie. Die Tagesgäste dürfen dort zwar nicht mehr baden, ihre Boote die Bucht nicht mehr befahren. Die Haipopulation ist seitdem jedoch trotzdem wieder rückläufig. FERIENWOHNUNGEN TREIBEN DIE MIETPREISE IN DIE HÖHE Andernorts verschärft Overtourism auch soziale Probleme, etwa wenn er Mieten steigen lässt. Nachgewiesen ist dies für Berlin: Eine Studie des Deutschen Insti- tuts für Wirtschaftsforschung (DIW) be- legt, dass Airbnb-Unterkünfte in einem Umfeld von 250 Metern die Mietkosten messbar in die Höhe treiben. Mehrere europäische Metropolen schränken das Angebot der Vermietungsplattform des- halb bereits ein. Und oft vermischen sich die Negativfolgen auch, zum Beispiel auf Hawaii. Dort sorgt der Massenandrang sowohl für ökologische als auch soziale Probleme: Die Tropeninseln sind ein weltweit beliebtes Reiseziel, leiden aber an Wasserknappheit. Doch während das Trinkwasser für die Bevölkerung bis- weilen streng rationiert wird und hohe Strafen auf den »unnötigen Gebrauch« erlassen wurden, beispielsweise bei der Autowäsche, bleiben Wasserrutschen, Brunnen und Pools der Hotels von diesen Sanktionen verschont. Derartige Rege- lungen sorgen für Proteste: Seit Jahren schon fordern die Menschen auf Hawaii ein besseres Management der Touristen- ströme. Die dortige Regierung greift bislang aber nur halbherzig durch. Dabei sind die Tourismusexperten überzeugt: Beliebte Ziele müssen den Be- sucherzufluss regeln und notfalls auch Verbote erlassen, wenn sie attraktiv für Bewohner und Touristen bleiben wollen.

IN DEUTSCHLAND LEIDEN NATURSCHUTZGEBIETE

Deutschlands grüne Flecken kämpfen vor allem seit der Coronapandemie mit dem Besucherandrang: Während der zeitweise geltenden Reiseverbote ent- deckten viele Menschen die Schönheit der Natur in ihrer Nähe neu. Nicht alle kennen jedoch die Regeln, die besonders in Naturschutzgebieten gelten – und brettern mit dem Mountainbike durch gesperrte Areale, lassen ihren Hund durch Brutgebiete seltener Vögel laufen oder kampieren an geschützten Berg- seen. »Einige ignorieren die Regeln bewusst, viele aber wissen es nur nicht

» Wenn sich ein Angebot verknappt, steigt das

besser«, erklärt Larondelle. »Deshalb müssen wir sichtbarer werden – in den Schutzgebieten, aber auch im Netz.« Denn die meisten Besucher informieren sich über mögliche Wandertouren vor allem digital, nicht über die Infotafeln vor Ort. Doch Outdoorplattformen wie Komoot prüfen nicht, ob vorgeschlagene Routen Schutzgebiete illegal queren. Die Naturparks beschäftigen deshalb mittlerweile »digitale Ranger«: Diese kontaktieren Nutzer, die problematische

gerade stark besucht sind. So können die Gäste ihre Route anpassen und weniger frequentierte Ziele ansteuern. Oder Amsterdam: Dort filmen Kameras die Fußwege. Sind sie zu voll, werden sie gesperrt. Und in deutschen Wäldern installieren Ranger versuchsweise Mikrofone: Sie zeichnen den Lautstärke- pegel auf Wanderwegen auf und regis- trieren, ob sich Vögel dadurch langfristig verschrecken lassen. »Dann müssten wir über eine neue Routenführung

Kein Alkohol in den Straßen von Amsterdams Altstadt. Beim Verstoß drohen 95 Euro Strafe. So versucht die Stadt, die Bedürf- nisse der Bewohner und der Partygäste miteinander zu vereinbaren



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Die Zahl der Menschen, die sich weltweit aufmachen, um Sehenswürdig- keiten wie den Markt von Fès in Marokko mit eigenen Augen zu sehen, steigt immer weiter

philippinische Insel Komodo wollen es künftig erheben, um Touristen abzu- schrecken und diejenigen, die kommen, an den Kosten, die sie verursachen, zu beteiligen. Doch Reisende wären bereit, für Attraktionen von Weltrang fast jeden Betrag zu zahlen, beobachtet Pechlaner. »Das zeigen zum Beispiel die hohen Ticketpreise für die Nationalparks in den USA: Die Parks sind im Sommer trotzdem voll.« Der Experte fürchtet sogar, dass beliebte Ziele durch den beschränkten Zutritt noch attraktiver werden könnten: »Da greifen die Mechanismen der Marktwirtschaft: Wenn sich ein Angebot verknappt, steigt das Interesse daran noch einmal: Im Sommer ein Ticket für die Uffizien in Florenz oder die Alhambra in Granada zu ergattern wird zum Wert an sich.« Dennoch sieht Harald Pechlaner keine Alternative zu solchen Regelungen. Denn bis zum Ende des Jahrzehnts wird die Zahl der Touristen weiter steigen: 1,8 Milliarden Menschen werden sich dann weltweit jedes Jahr auf den Weg ins Ausland machen, prognostiziert die Welttourismusorganisation der UNO.

dort kaum noch möglich.« Larondelle empfiehlt, in diesem Fall auf andere nahe gelegene Naturziele auszuweichen: Dort sei es häufig genauso schön und deutlich leerer. REISENDE SIND BEREIT, FAST JEDEN PREIS ZU ZAHLEN Nach diesem Prinzip werben auch viele beliebte Städte für Ziele jenseits ihrer Hauptattraktionen: Amsterdam etwa erklärte das rund 40 Kilometer entfernte Küstenörtchen Zandvoort kurzerhand zum »Amsterdam Beach«, Berlin will Besucher mit einer App in seine Außen- bezirke locken (»Going local«). Derartige Experimente haben aber ihre Grenzen, sagt Tourismusexperte Pechlaner. »Die Leute wollen in Berlin nun mal das Brandenburger Tor, in Paris den Eiffel- turm und in Rom das Kolosseum sehen. Für Ziele in der zweiten Reihe lassen sie sich da nur in Maßen begeistern.« Auch eine andere, scheinbar nahe- liegende Methode im Kampf gegen die Touristenmassen hält der Forscher für wenig vielversprechend: das Eintritts- geld. Beliebte Ziele wie Venedig oder die

Interesse noch einmal «

Touren online stellen, und schlagen auf den Plattformen selbst schöne Wander- wege vor, die Pflanzen und Tiere nicht gefährden. Mitunter sprechen die Experten auch Tourismusämter an und bitten darum, ein besonders beliebtes Schutzgebiet nicht mehr zu bewerben, damit sich die Natur dort erholen kann. »Das sind für die Verantwortlichen schwierige Entscheidungen: Mit Wahr- zeichen wie den Kreidefelsen von Rügen oder der Bastei in der Sächsischen Schweiz wirbt Deutschland schließlich auch international um Besucher. Aber diese Ziele können einfach nicht noch mehr Gäste vertragen. Schon jetzt be- treiben die dortigen Nationalparks nur noch Schadensbegrenzung, keinen echten Naturschutz mehr. Und viele Besucher sind enttäuscht, wenn sie er- leben, wie voll es an diesen Orten dann tatsächlich ist: Ein beglückendes Natur- erlebnis ist an Sommerwochenenden

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NATUR

Woran erkennen Pinguine in Kolonien ihren Partner?

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FOTO: IMAGO

W ie die meisten Pinguinarten leben auch die Brillenpinguine Afrikas in großen Kolonien. Zwar sind deren Bestände in den vergange- nen Jahrzehnten dramatisch geschrumpft, aber noch immer können solche Kolonien Tausende Tiere umfassen. Angehörige dieser Art wählen einen Partner auf Lebenszeit und wechseln sich beim Brüten ab. Der eine Vogel bleibt beim Nest, der andere geht mit Artgenossen jagen. Wie aber finden sie wieder zurück, zum eigenen Nest und zum eigenen Partner? Wer schon einmal im Gewühl versucht hat, seine Begleitung wiederzufinden, geht ähnlich vor wie ein Brillenpinguin: Er hält Ausschau nach einem typischen Merkmal der gesuchten Person – eine auffällige Jacke oder ein wuscheliger Haarschopf. Brillenpinguine blicken einander aufs Brustgefieder. Denn daran lassen sie sich zielsicher unterscheiden. Jedes Individuum trägt ein einzigartiges schwarzes Punktmuster auf seinem weißen Rumpf, das sich im Alter von drei bis fünf Monaten bildet und bis zum Lebensende bleibt. Dass Brillenpinguine sich an ihrem Brustgefieder erkennen, hat ein italienisch-finnisches Forschungs- team mithilfe von Fotos herausgefunden. Es konfron- tierte sechs Pinguinpaare aus einem Aquazoo mit den fast lebensgroßen Abbildungen von Artgenossen. In einem von mehreren Experimenten bekam jedes Tier zwei Fotos gezeigt: das seines langjährigen Partners und das eines fremden Vogels. Im nächsten Durchlauf sahen die Tiere nur die Bilder ihres Partners, einmal mit sichtbarem Punktmuster, einmal mit abgedecktem. Dabei maß das Forschungsteam, wie lange die Tiere die Fotos betrachteten. Das Ergebnis: Bekamen die Pinguine den ganzen Körper oder zumindest das Punktmuster ihres Gefähr- ten zu sehen, zeigten sie weit mehr Interesse an den Fotos und betrachteten sie länger als die Aufnahmen anderer Vögel. Das Interesse am Partner nahm dagegen ab, wenn die Punkte auf dem Rumpf abgedeckt waren. Das Forschungsteam kam daher zu dem Schluss, dass Brillenpinguine tatsächlich auf die charakteristischen Brustzeichnungen angewiesen sind, um einander zu erkennen. Auch wenn dies nicht bedeuten muss, dass dies ihr einziges Unterscheidungsmerkmal ist. (kj)

Individuell gemustert: Brillenpinguine am Boulders

Beach in Kapstadt

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NATUR

Bei der Brautwerbung überreichen Männchen der Gemeinen Skorpionsfliege (links) ihren Artgenossinnen leckere Nahrungsbröckchen

Welche Geschenke machen sich Tiere?

In den Brutkolonien der Adeliepinguine etwa erwärmen die Herren die Herzen der Damen mit Kieseln. Diese sind in der antarktischen Eislandschaft rare »Edelsteine« – und dringend benötigte Hardware zum Nestbau. Kein Wunder also, dass Weibchen auf steinreiche Typen stehen, die bis- weilen weite Wege watscheln, um die besten Brocken auf- zuschnabeln. Oder gar kriminelle Energie aufwenden: Als Kieselklauer bedient sich manch liebeshungriger Pinguin- mann bei der Nist-Nachbarschaft. Auch die Blaufußtölpel auf den Galapagosinseln setzen – zusätzlich zu ihren durchchoreografierten Tanzeinlagen – auf praktische Präsente wie Stöckchen, ergo: Nistmaterial. Eisvogelmännchen hingegen angeln sich die Dame ihres Ver- trauens mit selbst erköppertem Frischfisch, den sie gentle- birdlike mit kleinen Verbeugungen überreichen. Liebe geht nun mal durch den Magen, und das gilt auch für kleinere Lebewesen. Die Männchen der auch in Deutsch- land heimischen Gemeinen Skorpionsfliege etwa bieten als Brautgeschenk selbst produzierte Sekretbonbons oder Futter- stückchen an: Energiebooster für das Weibchen und die kräftezehrende Eiproduktion. Der Paarungsakt dauert je nach Größe des Geschenks bis zu zwei Stunden. Listspinnen- männchen sind da zügiger zugange, allein aus Selbstschutz: Sie verpacken ihre kulinarischen Mitbringsel sorgsam in Spinnfäden, damit das Weibchen zur Paarung gut beschäftigt ist – und darauf verzichtet, den Begatter zu vernaschen. (bli)

B lumen, Süßes, Restaurantgutscheine: Rund die Hälfte der Deutschen beschenkt sich zum Valentins- tag. »Romantisch!«, sagen die einen. »Kommerz!«, schimpfen die anderen. Dabei sind materielle Auf- merksamkeiten zur Festigung von Paarbeziehungen eine durch und durch natürliche Angelegenheit. Selbst Tiere überreichen sich Präsente, genauer: Männchen beschenken Weibchen zur Balz, allen voran im Reich der Vögel.

Sind Kolibris im Flug noch geschickter als gedacht? K olibris sind die Akrobaten des Vogelreichs: Sie können beim Fliegen nicht nur auf der Stelle stehen, sondern sich außerdem nicht ergründen: Die Tiere schwirren dafür zu schnell durch Öffnungen hindurch, etwa in Büschen, von deren Blüten sie Nektar trinken. Forschende der Universität von

Löcher hindurch. Dafür strecken sie einen Flügel voraus, schwingen danach ihren Körper hindurch und ziehen zum Schluss den zweiten Flügel nach. Alles in einer ge- schmeidigen Bewegung, die nur Sekun- denbruchteile dauert. »Dieses Konzept der Seitwärtsbewegung mit ihrem totalen Durcheinander der Flügel-Kinematik ist ziemlich erstaunlich – eine neue und unerwartete Art, um durch Öffnungen zu gelangen«, sagt Biologe Robert Dudley, einer der Autoren der Studie. Die Entdeckung könne auch für Menschen wertvoll sein, betont das Forscherteam: etwa beim Bau von noch besseren Drohnen. (jn)

vertikal in die Höhe schrauben wie ein Hubschrauber, rückwärts und sogar seit- wärts fliegen. Unklar war jedoch, wie sie durch schmale Löcher gelangen. Denn im Gegensatz zu anderen Vögeln können sie ihre Flügel nicht anwinkeln: Dafür befindet sich das Gelenk, das unserem Ellenbogen entspricht, zu nah an ihrem Körper. Ihre Flügel gleichen eher steifen Paddeln. Durch Beobachtung mit bloßem Auge konnten Fachleute das Geheimnis bislang

Kalifornien in Berkeley haben das Manö- ver deshalb mit Spezialkameras gefilmt. Erst in Superzeitlupe zeigt sich: Die Vögel kennen zwei Strategien, um durch Löcher zu gelangen, die schmaler sind als ihre Spannweite. Einerseits legen sie ihre Flügel ganz an den Körper an – wie Pistolenkugeln schießen sie so durch Öffnungen. Dieses Verhalten hatten die Fachleute erwartet. Andererseits aber fliegen Kolibris auch seitwärts durch



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Wo profitieren Mangroven vom Anstieg des Meeresspiegels?

mentierte, wie sich Mangrovenwälder auf einem Riff ausbreiten, das zum Great Barrier Reef gehört. Diese Wälder wachsen rasch, trotz des Klimawandels. Oder vielleicht sogar deswegen? Untersucht wurde ein abgelegenes Gebiet auf den Howick-Inseln vor der nordaustralischen Küste. Die Forschen- den ließen Drohnen über das Gebiet fliegen und vermaßen Bäume vor Ort. Mithilfe kombinierter Rechenmodelle kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Bio- masse des Mangrovenbestands seit den 1970er-Jahren um rund 10 000 Tonnen zugelegt hatte. Weil diese Zeitspanne kurz und die Wälderausdehnung ver- gleichsweise groß ist, vermutet das Team nun, dass es sich um eine Reaktion auf veränderte Umweltbedingungen handeln muss – wie sie der Klimawandel mit sich bringt. Warum allerdings die Mangroven der Howick-Inseln von der Erderwärmung profitieren, während andere genau daran zugrunde gehen, müssen jetzt weitere Forschungs- arbeiten aufdecken. (kj)

M angrovenwälder gehören zu den wertvollsten Ökosyste- men der Erde. Sie wachsen im Brackwasser tropischer Meeresküsten und im Gezeitenwechsel von Ebbe und Flut. Sie wurzeln im Schlamm, befestigen die Küstenzonen und beherbergen viele Tierarten. Weil sie enorme Mengen CO 2 speichern kön- nen, gelten sie als Klimaschützer ersten Ranges. Doch dieses Ökosystem ist nicht nur wertvoll, sondern auch empfind- lich. Schwankende Wasserstände setzen ihm zu. Im Jahr 2016 etwa starben an der nordaustralischen Küste auf einer Länge von 2000 Kilometern rund 40 Millionen Mangrovenbäume. Der Grund für das

Massensterben war der plötzliche Abfall des Meeresspiegels um etwa 40 Zenti- meter. Die Bäume verdursteten. Aber auch der Anstieg des Meeres- spiegels – eine direkte Folge des Klima- wandels – bringt die Wasserwälder in Bedrängnis. Mangrovenbäume brau- chen das Trockenfallen bei Ebbe. Sonst schaffen sie es nicht, ausreichend Sauer- stoff zu ihren Wurzeln zu leiten, um die Zeiten der Flut zu überstehen. So prog- nostizierte eine Studie vom August 2023 im Fachblatt »Nature«, dass der rasch steigende Meeresspiegel zum Absterben von zahlreichen Mangrovenwäldern rund um den Globus führen wird. Umso bemerkenswerter ist daher eine Untersuchung von Forschenden aus New South Wales in Australien, die im November des vergangenen Jahres veröffentlicht wurde. Das Team doku-

Mangrovenwälder sind für ihr Überleben auf den Wechsel von Ebbe und Flut angewiesen

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NATUR

Kann Gentechnik Hühner gegen Vogelgrippe immun machen?

riment steigerte. Dann nahm auch der Infektionsschutz der Hühner ab. Trotz dieses Anfangserfolgs sind die Reaktionen aus dem wissenschaftlichen Kollegium noch verhalten. Aus mehre- ren Gründen: Zum einen ist unklar, welche Folgen der Eingriff ins Genom für die Hühner haben könnte. Zum anderen hat sich auch hier die rasche Anpassungsfähigkeit des Erregers ge- zeigt, da bei steigender Virenlast wieder mehr Vögel infiziert wurden. Zudem ist fraglich, wie massentauglich der Einsatz von Genscheren wäre. Und schließlich wäre den Wildtieren unter den Vögeln damit nicht geholfen. Dennoch könnte die Genom-Editie- rung zumindest dabei helfen, einen Schutz für Menschen aufzubauen. Denn je mehr Hühner gegen das Virus resis- tent sind, desto geringer ist die Gefahr, dass sich Menschen anstecken, etwa auf Geflügelmärkten. (kj)

D ie Vogelgrippe wütet nicht nur furchtbar unter Wildvögeln. Auch Säugetiere werden in- zwischen von dem Virus H5N1 und seinen Subtypen befallen, darunter Robben, Füchse und Katzen. Durch seine große Anpassungsfähigkeit könnte es sogar dem Menschen gefährlich wer- den. Es gibt also viele Gründe, intensiv daran zu forschen, wie die Vogelgrippe eingedämmt werden kann. Das größte Potenzial für seine Ver- breitung findet H5N1 in Hühnerställen. Hühner sind mittlerweile die vor- herrschende Vogelart auf diesem Plane- ten, ihr Bestand wurde 2020 auf etwa 33 Milliarden weltweit geschätzt – ein ideales Betätigungsfeld für den Erreger,

da die allermeisten Hühner dicht an dicht in Massentierhaltung leben. Sind Tiere eines Stalls einmal am Virus er- krankt, gibt es bislang kein anderes Mit- tel, als den gesamten Bestand zu töten. Nun aber hat ein Forschungsteam aus Großbritannien die Genschere CRISPR/Cas eingesetzt und damit erste Erfolge erzielt. Zunächst tauschten die Forschenden mithilfe der Genschere zwei Aminosäuren eines Wirtsproteins aus, das bei Hühnern entscheidend für die Vermehrung des Virus ist, und setz- ten anschließend die Vögel einer gerin- gen Viruslast aus. Neun von zehn Tieren infizierten sich daraufhin nicht. Das änderte sich allerdings, als das Forschungsteam die Virenlast im Expe-

Mädchen mit Hühnern: Ände- rungen im Erbgut könnten die Tiere womöglich vor tödlichen Viren schützen



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Der Einsatz von Herbiziden ermöglicht bessere Ernten, gefährdet aber die Umwelt auch über den Acker hinaus

Wie schädlich ist Glyphosat für Amphibien ? A m 13. Oktober des vergangenen Jahres beschloss die Europäische Union, Glyphosat weitere zehn Jahre in ihren Mitgliedsstaaten zuzulassen. Für viele Tierarten war das womöglich keine gute Nachricht. Dabei soll

Im Experiment schädigte der Wirkstoff Embyronen des Afrikanischen Krallenfroschs (rechts)

sich das Herbizid eigentlich nur gegen Pflanzen richten. Es wird eingesetzt, um Äcker, Obstwiesen und Weinstöcke von uner- wünschten Beikräutern frei zu halten. Auch Tiere kommen je- doch mit dem Wirkstoff in Kontakt: Das Herbizid verteilt sich, es sickert ins Grundwasser und fließt in die ackernahen Gewässer. Dort kann es einer aktuellen Studie zufolge selbst in gerin- ger Konzentration starke Schäden unter Amphibien anrichten. Diese Wirbeltiergruppe leidet seit Jahrzehnten an einem Haut- pilz, der die Bestände dezimiert. Doch auch Glyphosat könnte zum Amphibiensterben beitragen: Das ist die Vermutung eines Forschungsteams der Universität Ulm und des Helmholtz- Zentrums für Umweltforschung in Leipzig. Das Team ließ 30 Embryonen des Afrikanischen Krallen- frosches (Xenopus laevis) in einer Wasserlösung aufwachsen, die verdünntes Glyphosat enthielt. Die Forschenden verwen- deten für ihr Experiment reines Glyphosat, kein Herbizid mit Zusatzstoffen, um sicherzustellen, dass nur die Effekte des Wirkstoffs selbst getestet wurden. Die Lösung enthielt je nach Experiment unterschiedliche Konzentrationen, angelehnt an die Werte, wie sie mittlerweile auch in natürlichen Gewässern vorkommen. So wurden in den USA etwa 1,7 Milligramm Gly-

phosat pro Liter nachgewiesen, in Portugal 2,46 mg/l und in Argentinien sogar 105 mg/l, während in Deutschlands Flüssen Werte um 0,0025 mg/l gemessen wurden. Das Forschungsteam setzte die niedrigste Konzentration des Wirkstoffs bei 0,1 mg/l an. Selbst bei dieser Verdünnung traten aber erhebliche Schäden bei den Embryonen auf, die sich im Lauf der Untersuchung zu Kaulquappen entwickelten. Ihr Längenwachstum war reduziert, ihre Herzen blieben verküm- mert, die Körper verkrümmt, Hirnnerven zeigten Fehlbildungen. Daher gehen die Forschenden davon aus, dass das Glypho- sat selbst, unabhängig von Zusatzstoffen, die Entwicklung von Amphibien schädigt: »Die Ergebnisse könnten einen weiteren Grund für das weltweite Amphibiensterben darstellen«, heißt es im Fazit der Studie. (kj)

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NATUR

Warum staunen Fachleute über kooperierende Bonobos?

einander – mal für eine Stunde, mal zo- gen sie wochenlang gemeinsam umher. Dabei zeigte sich: Auch mit nicht verwandten Artgenossen kooperieren die Affen regelmäßig. Beim Lausen etwa wählten sie jedes zehnte Mal einen Fremden, in Konflikten halfen sie in 15 Prozent aller Fälle einem Tier, das nicht zu ihrer Gruppe gehörte. In beiden Familienverbänden agierten aber nicht alle, sondern nur einzelne Bonobos be- sonders integrativ – sogar wenn sie davon nicht profitierten. Teilten sie Essen, erhielten sie nur in 14 Prozent der Fälle Nahrung als Gegenleistung. Für Evolutionsforschende ist diese Erkenntnis wegweisend: Um das menschliche Sozialverhalten zu er- klären, hatten sie bislang vor allem Schimpansen beobachtet. Diese ver- halten sich Fremden gegenüber jedoch in aller Regel feindlich und aggressiv. Auch Menschen reagieren oft ähnlich. Unser aber zugleich vorhandene Wille zur Kooperation war dagegen schwerer zu erklären. Nun zeigt sich: Unsere Tole- ranz könnten wir vom selben Vorfahren geerbt haben wie die Bonobos. (jn)

G emeinsam vertreiben sie Störenfriede, teilen Fressen oder lausen sich gegenseitig – obwohl sie nicht miteinander verwandt sind. Dieses erstaunliche Ver- halten haben Forschende bei Bonobos

im Kongo beobachtet. Die Fachleute sehen darin eine Erklärung, wie sich das menschliche Talent zur Kooperation entwickelt haben könnte. Die Fähigkeit, mit Fremden zusam- menzuarbeiten, galt bislang als zutiefst menschliche Eigenschaft: Wir treffen mit anderen zusammen, um Handel zu treiben und Ideen auszutauschen. Wir helfen Nachbarn, teilen in Notzeiten Nahrung und warnen einander vor Ge- fahr, oft ohne sofort eine Gegenleistung zu erwarten – ein wichtiger evolutionä- rer Vorteil. Im Tierreich ist eine so kom- plexe Form der Kooperation unbekannt. Nun berichten Forschende des Deut- schen Primatenzentrums Göttingen und der Harvard University von einfachen Formen derartigen Verhaltens bei Affen: Zwei Jahre lang beobachteten sie zwei benachbarte Bonobo-Gruppen im Kokolopori-Reservat im Kongo. Die Tiere trafen in der Zeit fast 100-mal auf-

Anders als Gemeine Schimpansen arbeiten Bonobos oft auch mit Fremden zusammen

Reisen Ratten in Gedanken?

F ür Verhaltensforschende ist es unglaublich schwierig zu beweisen, dass Tiere eine innere Welt haben könnten, eine Vorstellungskraft, die unserer womöglich ähnelt. Dass sie etwa Orte nur in Gedanken aufsuchen können, so wie wir das tun. Ein Forschungsteam aus den USA scheint nun einen Weg gefunden zu haben, diese Fähigkeit bei Ratten nachzuweisen. Im Fachmagazin »Science« beschrieb das Team, wie Ratten nur mithilfe ihrer Vorstellungskraft an einen anderen Ort gelangten. Die virtuelle Realität machte es möglich. Wenn Menschen sich einen Ort vorstellen, aktivieren sie spezifische neuronale Muster in ihrem Hippocampus. Das ist die Schaltzentrale im Gehirn, die unter anderem für die räum- liche Erinnerung zuständig ist. Die Forschenden hatten bereits Jahre vor ihrem Experiment ein Brain-Machine-Interface (BMI) entwickelt, ein System, das eine direkte Verbindung zwischen der Gehirnaktivität und einem externen Gerät schaffen kann. Für ihr Ratten-Experiment sollte dieses System die neu- ronalen Aktivitäten im Hippocampus der Versuchstiere messen und gleichzeitig eine Verbindung zu ihrer Position in einer 360-Grad-Virtual-Reality-Arena herstellen. In der Mitte der virtuellen Arena befand sich eine Kugel, auf der die

Ratten wie auf einem Laufband umherliefen. Ihre Bewegungen wurden in Echtzeit auf den 360-Grad-Bildschirm übertragen, während das BMI die Hippocampus-Aktivitäten aufzeichnete. Die Tiere blickten dabei in winzige Bildschirme und sahen die VR-Arena als eine Art Tunnel, durch den sie sich bewegten. Zuvor waren sie trainiert worden, in ihrer virtuellen Welt zu bestimmten geometrischen Formen zu navigieren. Erreichten sie ihr Ziel, bekamen sie zuckerhaltiges Wasser zur Belohnung. Um zu testen, ob die Ratten sich Orte vorstellen konnten, schalteten die Forscher schließlich das Laufband ab. Nun mussten die Tiere, um ihre Belohnung zu erhalten, das spezi- fische Hippocampus-Aktivitätsmuster, das ihr Zielort auslöste, mithilfe ihrer Vorstellungskraft selbst reproduzieren. Das taten sie erfolgreich. In einem weiteren Versuch bewegten sie auch ein Objekt in der VR-Arena nur mithilfe ihrer Gedanken. Die Ergebnisse dieser Studie haben

offenbar auch außenstehende Forscher beeindruckt. Der Neurowissenschaftler Daoyun Ji aus Houston etwa spricht von einem »starken Beleg, dass Ratten ihre Vorstellungskraft nutzen«. (kj)

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E s sieht aus wie ein Kamikaze- einsatz: Wenn Eisvögel jagen, schießen sie senkrecht in die Tiefe, durchbrechen die Was- seroberfläche Kopf voran und tauchen mit einem Fisch im Schnabel wieder auf. Bei ihren Sturzflügen können sie ein Tempo von annähernd 40 Kilometern pro Stunde entwickeln. So schnell sprinten allenfalls Profisportler beim Weltrekord- versuch. Nach solchen Manövern wäre eine Gehirnerschütterung zu erwarten oder noch Schlimmeres. Doch Eisvögel machen das immer und immer wieder. Allerdings – und das war ein großes Glück für die Wissenschaft – nicht alle. Es gibt einige Arten der recht großen Eisvogelfamilie, die nicht nach Fisch tauchen, sondern die sich an Land von Insekten, Reptilien und anderen Vögeln ernähren. Hinzu kommt, dass die Evolu- tion das Sturzflugverhalten in mehreren Eisvogelarten unabhängig voneinander entstehen lassen hat. Beides zusammen ist für Forschende wie ein Sechser im Lotto. Denn dann ist die Wahrscheinlich- keit hoch, dass sich eine Erklärung in den Genen finden lässt, warum den Eisvögeln bei ihren Kamikazeflügen nichts zustößt. Daher sequenzierte ein Forschungs- team aus den USA die DNA von 30 Eis- vogelarten, um sie miteinander zu ver- gleichen. Darunter waren Spezies, die sich von Fisch ernähren, aber ebenso andere, die nicht tauchen. Und tatsäch- lich fanden sich bei den Sturzflugvögeln einige Genveränderungen. Vor allem eine Mutation im sogenannten MAPT-Gen war auffällig. Dieses Gen codiert ein Protein namens Tau, das Zellen stabilisiert. Tau spielt allerdings auch eine unheilvolle Rolle bei der menschlichen Alzheimer- krankheit, wenn es sich chemisch ver- ändert und faserige Ablagerungen bildet. Nun vermutet das Forschungsteam, dass die Gehirne der tauchenden Eis- vögel durch das Tau-Protein geschützt werden. Dabei hat es wohl eine spezielle Form ausgebildet, die Gehirnerschütte- rungen verhindert. Doch wie genau und auf welche Art das Protein seine Schutzwirkung ausübt, ist noch unklar. Weitere Untersuchungen sollen nun diesen Fragen nachgehen. (kj)

Wie schützen Eisvögel

das Gehirn bei ihren

Sturzflügen ins Wasser?

Mit dem Kopf durch die Wasserwand: tauchender Eisvogel

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RUSSLANDS ZAREN

Immer wieder vergleicht Wladimir Putin sein Handeln mit den Taten bedeutender Persönlichkeiten der russischen Geschichte. Drei scheinen ihm besonders viel zu bedeuten text: Katrin Maike Sedlmair Wer sind Putins Vorbilder?

E r inszeniert sich gern als Kenner der russischen Geschichte: Besonders wenn es um die Legi- timation seiner Politik geht, etwa den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, bezieht sich Russlands Präsident Wladimir Putin auf die Histo- rie seines Landes, vergleicht er sein Handeln in mitunter ausschweifenden Reden mit den Errungenschaften be- deutender Persönlichkeiten. Die meisten von ihnen sind be- rühmte Herrscher einer längst vergan- genen Epoche — des 1917 untergegange- nen Zarenreiches. Einige der Regenten scheinen Putin dabei näherzustehen als andere: Peter der Große, Nikolaus I. und Alexander III. Diese drei Autokraten sind seine wohl größten Vorbilder. Sie werden häufiger lobend erwähnt oder auf andere Weise besonders her- vorgehoben. Von Peter dem Großen und Nikolaus I. finden sich etwa prunkvolle Statuen im Empfangssaal des Kremls, nach Alexander III. ließ der Präsident

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Wladimir Putin sieht sich als Nachfolger der russischen Potentaten, die das Land autokratisch beherrschten und umgestalteten – wie etwa Zar Peter der Große (Statue)

FOTOS: DDP IMAGES, MAURITIUS IMAGES

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zufriedener Soldaten niederschlagen. Als der Zar dann im Sommer 1698 zurückkehrt, ist seine Rache hart, ja grausam: Mehr als 1000 der Aufständi- schen lässt er bestialisch foltern und schließlich hinrichten. Noch während der Prozesse tritt Peter zudem einige Reformen los, die die russische Gesell- schaft für immer verändern werden. Zunächst müssen die langen Bärte dran glauben, die Russlands Männer traditi- onell tragen. Auch die beliebten alt- russischen Kaftane lässt Peter verbieten und durch Kleidung nach westeuro- päischem Standard ersetzen. Diesen symbolischen Akten folgen nach und nach grundlegende Umwälzungen: In den 27 Jahren, die ihm noch verbleiben,

formt Peter Russland komplett um. Die Wirtschaft, das Militär, die Verwaltung, das Steuersystem, die Kirche – nichts ist am Ende seiner Regierungszeit, wie es zuvor war. Fortschritt, Modernisierung, Verwestlichung um jeden Preis: Das ist Peters Programm, dem er alles unter- ordnet und für das die Bevölkerung ge- waltige Opfer bringen muss. Vor allem die Bauern – und damit die überwäl- tigende Mehrheit der Russen – ächzen unter der Steuerlast, deren Ertrag den Umbau des Landes erst ermöglicht. Unzählige Menschenleben kostet darüber hinaus Peters vielleicht größte Unternehmung: In einer sumpfigen Einöde nahe dem Finnischen Meer- busen lässt er aus dem Nichts eine neue

2023 sogar ein Atom-U-Boot benennen. Doch wer waren diese drei Männer, was haben sie für Russland bewirkt? Ein Überblick in drei Kurzporträts.

Peter (I.) der Große 1672–1725 Herrschaftszeit: 1682–1725 ER IST DER ELFTE und der berühm- teste aller Zaren, derjenige Herrscher, der um 1700 das rückständige, in Euro- pa isolierte russische Reich in eine moderne Großmacht verwandelt – und das mit brutaler Rücksichtslosigkeit: Peter der Große. Schon früh will der russische Regent sein Land an die Standards des Westens anpassen und bricht daher 1697, mit 27 Jahren, zu einer Reise auf, die als »Große Gesandtschaft« legendär ge- worden ist. Mit einem gewaltigen Tross besucht der junge Herrscher Länder wie England, die deutschen Lande oder die Niederlande, als erster Zar überhaupt. Er führt diplomatische Verhandlungen über ein Bündnis gegen das Osmani- sche Reich, doch mehr noch als politi- sche Unterredungen scheint ihn etwas anderes zu interessieren: das Studium der technischen, handwerklichen und militärischen Errungenschaften der be- reisten Regionen. Dafür nimmt sich der Zar viel Zeit – und scheut sich auch nicht vor eigenem Körpereinsatz. So arbeitet Peter etwa in den Niederlanden, damals das fortschrittlichste Land Europas, ein halbes Jahr lang als Schiffszimmermann in einer Werft. Mit seinen Untertanen hingegen hat Peter weniger Geduld. Noch während er im Ausland weilt, müssen seine Stell- vertreter im Reich einen Aufstand un-

Seine Herrschaft beginnt mit einem Aufstand, den er schnell niederwirft: Nikolaus I. kämpft als Zar gegen revolutionäre Gedanken, gründet

gar eine neue Geheimpolizei



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