P.M. Schneller Schlau

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Weitverbreitet sind etwa Kontingent- lösungen: Nur eine gewisse Anzahl an Urlaubern wird dann in ein Museum, an einen Strand oder auf einen Wanderweg gelassen. Besonders konsequent hat dieses Konzept die italienische Ferien- region Südtirol umgesetzt: Sie sperrt in den Sommermonaten die Zufahrts- straßen zu beliebten Orten wie dem Pragser Wildsee oder zum Bergmassiv Drei Zinnen. Nur Anwohner dürfen die Kontrollpunkte passieren, außerdem Besucher, die zuvor einen Parkplatz reserviert haben. Alle anderen werden abgewiesen, können allerdings per Bus anreisen, denn der öffentliche Nah- verkehr wurde massiv ausgebaut – wo- von auch die Bevölkerung profitiert. Im vergangenen Jahr verhängte die Region zusätzlich einen Bettenstopp: Es dürfen keine weiteren Übernachtungsmöglich- keiten geschaffen werden. Auch technische Lösungen helfen dabei, die Touristenströme zu lenken: Barcelona etwa informiert per App darüber, welche Sehenswürdigkeiten

nachdenken oder bestimmte Abschnitte sperren«, erklärt Neele Larondelle vom Verband Nationale Naturlandschaften, einem Zusammenschluss der deutschen Schutzgebiete. Im Büsenbachtal, einem schlagartig beliebt gewordenen Aus- flugsziel in der Lüneburger Heide, zählt seit dem vergangenen Jahr zudem eine Besucherampel den Zustrom an Gästen.

und Lage. Auch ökologisch sind einige Ziele sensibler als andere: Thailands be- rühmte Maya Bay etwa verlor innerhalb weniger Jahre knapp 80 Prozent ihrer Korallenbänke, seit die Traumbucht pro- minent in einem Hollywood-Blockbuster auftauchte. Der danach einsetzende Massenandrang von Touristen vertrieb auch die dort heimischen Riffhaie. 2018 sperrte die Regierung daher den Strand, zunächst erholte sich das Naturparadies, und die Tiere kehrten in großer Zahl zu- rück. Doch vor Kurzem öffnete Thailand den Strand wieder für Besucher – auf Druck der Tourismusindustrie. Die Tagesgäste dürfen dort zwar nicht mehr baden, ihre Boote die Bucht nicht mehr befahren. Die Haipopulation ist seitdem jedoch trotzdem wieder rückläufig. FERIENWOHNUNGEN TREIBEN DIE MIETPREISE IN DIE HÖHE Andernorts verschärft Overtourism auch soziale Probleme, etwa wenn er Mieten steigen lässt. Nachgewiesen ist dies für Berlin: Eine Studie des Deutschen Insti- tuts für Wirtschaftsforschung (DIW) be- legt, dass Airbnb-Unterkünfte in einem Umfeld von 250 Metern die Mietkosten messbar in die Höhe treiben. Mehrere europäische Metropolen schränken das Angebot der Vermietungsplattform des- halb bereits ein. Und oft vermischen sich die Negativfolgen auch, zum Beispiel auf Hawaii. Dort sorgt der Massenandrang sowohl für ökologische als auch soziale Probleme: Die Tropeninseln sind ein weltweit beliebtes Reiseziel, leiden aber an Wasserknappheit. Doch während das Trinkwasser für die Bevölkerung bis- weilen streng rationiert wird und hohe Strafen auf den »unnötigen Gebrauch« erlassen wurden, beispielsweise bei der Autowäsche, bleiben Wasserrutschen, Brunnen und Pools der Hotels von diesen Sanktionen verschont. Derartige Rege- lungen sorgen für Proteste: Seit Jahren schon fordern die Menschen auf Hawaii ein besseres Management der Touristen- ströme. Die dortige Regierung greift bislang aber nur halbherzig durch. Dabei sind die Tourismusexperten überzeugt: Beliebte Ziele müssen den Be- sucherzufluss regeln und notfalls auch Verbote erlassen, wenn sie attraktiv für Bewohner und Touristen bleiben wollen.

IN DEUTSCHLAND LEIDEN NATURSCHUTZGEBIETE

Deutschlands grüne Flecken kämpfen vor allem seit der Coronapandemie mit dem Besucherandrang: Während der zeitweise geltenden Reiseverbote ent- deckten viele Menschen die Schönheit der Natur in ihrer Nähe neu. Nicht alle kennen jedoch die Regeln, die besonders in Naturschutzgebieten gelten – und brettern mit dem Mountainbike durch gesperrte Areale, lassen ihren Hund durch Brutgebiete seltener Vögel laufen oder kampieren an geschützten Berg- seen. »Einige ignorieren die Regeln bewusst, viele aber wissen es nur nicht

» Wenn sich ein Angebot verknappt, steigt das

besser«, erklärt Larondelle. »Deshalb müssen wir sichtbarer werden – in den Schutzgebieten, aber auch im Netz.« Denn die meisten Besucher informieren sich über mögliche Wandertouren vor allem digital, nicht über die Infotafeln vor Ort. Doch Outdoorplattformen wie Komoot prüfen nicht, ob vorgeschlagene Routen Schutzgebiete illegal queren. Die Naturparks beschäftigen deshalb mittlerweile »digitale Ranger«: Diese kontaktieren Nutzer, die problematische

gerade stark besucht sind. So können die Gäste ihre Route anpassen und weniger frequentierte Ziele ansteuern. Oder Amsterdam: Dort filmen Kameras die Fußwege. Sind sie zu voll, werden sie gesperrt. Und in deutschen Wäldern installieren Ranger versuchsweise Mikrofone: Sie zeichnen den Lautstärke- pegel auf Wanderwegen auf und regis- trieren, ob sich Vögel dadurch langfristig verschrecken lassen. »Dann müssten wir über eine neue Routenführung

Kein Alkohol in den Straßen von Amsterdams Altstadt. Beim Verstoß drohen 95 Euro Strafe. So versucht die Stadt, die Bedürf- nisse der Bewohner und der Partygäste miteinander zu vereinbaren



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