NATUR
Warum staunen Fachleute über kooperierende Bonobos?
einander – mal für eine Stunde, mal zo- gen sie wochenlang gemeinsam umher. Dabei zeigte sich: Auch mit nicht verwandten Artgenossen kooperieren die Affen regelmäßig. Beim Lausen etwa wählten sie jedes zehnte Mal einen Fremden, in Konflikten halfen sie in 15 Prozent aller Fälle einem Tier, das nicht zu ihrer Gruppe gehörte. In beiden Familienverbänden agierten aber nicht alle, sondern nur einzelne Bonobos be- sonders integrativ – sogar wenn sie davon nicht profitierten. Teilten sie Essen, erhielten sie nur in 14 Prozent der Fälle Nahrung als Gegenleistung. Für Evolutionsforschende ist diese Erkenntnis wegweisend: Um das menschliche Sozialverhalten zu er- klären, hatten sie bislang vor allem Schimpansen beobachtet. Diese ver- halten sich Fremden gegenüber jedoch in aller Regel feindlich und aggressiv. Auch Menschen reagieren oft ähnlich. Unser aber zugleich vorhandene Wille zur Kooperation war dagegen schwerer zu erklären. Nun zeigt sich: Unsere Tole- ranz könnten wir vom selben Vorfahren geerbt haben wie die Bonobos. (jn)
G emeinsam vertreiben sie Störenfriede, teilen Fressen oder lausen sich gegenseitig – obwohl sie nicht miteinander verwandt sind. Dieses erstaunliche Ver- halten haben Forschende bei Bonobos
im Kongo beobachtet. Die Fachleute sehen darin eine Erklärung, wie sich das menschliche Talent zur Kooperation entwickelt haben könnte. Die Fähigkeit, mit Fremden zusam- menzuarbeiten, galt bislang als zutiefst menschliche Eigenschaft: Wir treffen mit anderen zusammen, um Handel zu treiben und Ideen auszutauschen. Wir helfen Nachbarn, teilen in Notzeiten Nahrung und warnen einander vor Ge- fahr, oft ohne sofort eine Gegenleistung zu erwarten – ein wichtiger evolutionä- rer Vorteil. Im Tierreich ist eine so kom- plexe Form der Kooperation unbekannt. Nun berichten Forschende des Deut- schen Primatenzentrums Göttingen und der Harvard University von einfachen Formen derartigen Verhaltens bei Affen: Zwei Jahre lang beobachteten sie zwei benachbarte Bonobo-Gruppen im Kokolopori-Reservat im Kongo. Die Tiere trafen in der Zeit fast 100-mal auf-
Anders als Gemeine Schimpansen arbeiten Bonobos oft auch mit Fremden zusammen
Reisen Ratten in Gedanken?
F ür Verhaltensforschende ist es unglaublich schwierig zu beweisen, dass Tiere eine innere Welt haben könnten, eine Vorstellungskraft, die unserer womöglich ähnelt. Dass sie etwa Orte nur in Gedanken aufsuchen können, so wie wir das tun. Ein Forschungsteam aus den USA scheint nun einen Weg gefunden zu haben, diese Fähigkeit bei Ratten nachzuweisen. Im Fachmagazin »Science« beschrieb das Team, wie Ratten nur mithilfe ihrer Vorstellungskraft an einen anderen Ort gelangten. Die virtuelle Realität machte es möglich. Wenn Menschen sich einen Ort vorstellen, aktivieren sie spezifische neuronale Muster in ihrem Hippocampus. Das ist die Schaltzentrale im Gehirn, die unter anderem für die räum- liche Erinnerung zuständig ist. Die Forschenden hatten bereits Jahre vor ihrem Experiment ein Brain-Machine-Interface (BMI) entwickelt, ein System, das eine direkte Verbindung zwischen der Gehirnaktivität und einem externen Gerät schaffen kann. Für ihr Ratten-Experiment sollte dieses System die neu- ronalen Aktivitäten im Hippocampus der Versuchstiere messen und gleichzeitig eine Verbindung zu ihrer Position in einer 360-Grad-Virtual-Reality-Arena herstellen. In der Mitte der virtuellen Arena befand sich eine Kugel, auf der die
Ratten wie auf einem Laufband umherliefen. Ihre Bewegungen wurden in Echtzeit auf den 360-Grad-Bildschirm übertragen, während das BMI die Hippocampus-Aktivitäten aufzeichnete. Die Tiere blickten dabei in winzige Bildschirme und sahen die VR-Arena als eine Art Tunnel, durch den sie sich bewegten. Zuvor waren sie trainiert worden, in ihrer virtuellen Welt zu bestimmten geometrischen Formen zu navigieren. Erreichten sie ihr Ziel, bekamen sie zuckerhaltiges Wasser zur Belohnung. Um zu testen, ob die Ratten sich Orte vorstellen konnten, schalteten die Forscher schließlich das Laufband ab. Nun mussten die Tiere, um ihre Belohnung zu erhalten, das spezi- fische Hippocampus-Aktivitätsmuster, das ihr Zielort auslöste, mithilfe ihrer Vorstellungskraft selbst reproduzieren. Das taten sie erfolgreich. In einem weiteren Versuch bewegten sie auch ein Objekt in der VR-Arena nur mithilfe ihrer Gedanken. Die Ergebnisse dieser Studie haben
offenbar auch außenstehende Forscher beeindruckt. Der Neurowissenschaftler Daoyun Ji aus Houston etwa spricht von einem »starken Beleg, dass Ratten ihre Vorstellungskraft nutzen«. (kj)
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