TITEL
F ast könnte man das unscheinbare Gebäude übersehen, das mitten in einem Wohngebiet in Künzell nahe Fulda liegt. Doch hinter sei- ner Fassade betreibt Alexander Dressel Europas größte Quallenzucht. Auf einer Fläche von rund 400 Quadratmetern be- herbergt die Jellyfish Farm 17 Quallenar- ten in rund 200 Aquarien, verteilt auf ein Erdgeschoss und einen Kellerraum. Es ist deutlich kühler als in normalen Bü- roräumen, und ein angenehmer, salziger Meeresduft erfüllt die Luft. Überall schweben Quallen majestätisch durch ihre Becken. Unter Schwarzlicht leuch- ten einige von ihnen in bunten Farben und erzeugen eine mystische Atmosphä- re. An diesem Herbsttag ist der gelernte
Fischwirt Dressel damit beschäftigt, was- sergefüllte Plastikbeutel sorgfältig mit Quallen zu bestücken. Mit einer Pinzette stupst er die faustgroßen Tiere sanft an, woraufhin diese ihre Tentakel einziehen. Mit einer Wischbewegung befördert er sie in einen Messbecher und anschlie- ßend einzeln in die Beutel, die dann luft- dicht verschlossen und für den Transport vorbereitet werden. Je nach Art kommen Kühl- oder Wärmeakkus hinzu, bevor sie in Styroporboxen verpackt werden. »Diese hier bringe ich heute Abend noch an den Frankfurter Flughafen. Morgen früh fliegen sie nach Los Ange- les, und von dort geht es weiter nach Phoenix ins ›OdySea Aquarium‹ «, sagt Dressel. Zwar gebe es auch direkt an der
Küste von Los Angeles genug Quallen im Meer, die man einfach einsammeln könnte. Meistens finde man aber nur große Tiere, die dann nicht mehr so lange leben oder womöglich Parasiten mit- bringen. So sei es für seine Kunden ein- facher, die bereits an Aquarien gewöhn- ten Tiere zu bestellen, als sie wild zu fangen. DER VERMEHRUNGSZYKLUS IST RÄTSELHAFT Neben Schauaquarien wie das in Phoe- nix gehören auch Zoos und wissenschaft- liche Einrichtungen zu Dressels Haupt- abnehmern. Der Züchter verkauft rund 100 Quallen pro Woche, deren Stückpreis je nach Art zwischen 25 und 120 Euro
Eier und Spermien werden freigesetzt
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Aus den Eiern schlüpfen Larven, die Planulae
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Die Planulae verwandeln sich in Polypen
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Die Planulae siedeln auf festem Untergrund
Die Polypen vergrößern sich und spalten sich zu vielen jungen Quallen ab
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Heranreifen der Jung-Quallen
Der Vermehrungszyklus
genet is c h id ent is c h e N ac h ko mm en, a ls o K l one, er z e u gen . E i n ent s c h e id en d er S c h r i tt im Zyk lus is t di e S tro bil at i on . Da b e i bild et d er P o l y p e i ne Art S ta p e l a us m e h reren s c h e ib en - f ör mi gen S tr u kt u ren, di e si c h nac h e i nan d er a bl ö s en . J e d e di e s er S c h e ib en entw i cke l t si c h zu e i ner E ph yra, e i ner j u ngen, s tern f ör mi gen Q u a ll e . D i e E ph yrae wac hs en d ann zu M e dus en h eran u n d s c hli eßen d en Zyk lus , i n d e m si e erne u t E i er u n d Sp er mi en i n s Wa ss er f re is et z en . D i e s er Wec hs e l z w is c h en s tat i onären u n d f re i s c h w im- m en d en Le b en sf or m en, ko mbi n i ert mi t z we i u nter s c hi e d li c h en Fort p flan zu ng ss trateg i en, m ac h t Q u a ll en extre m an p a s su ng s- f ä hi g u n d erk l ärt ih ren Er f o l g i n f a s t a ll en O z eanen d er We l t .
Q u a ll en du rc hl a uf en e i nen ko m pl exen Fort p flan zu ng sz yk lus , we l c h er a us m e h reren Le b en ss ta di en b e s te h t u n d d er s ex u e ll e s ow i e u nge s c hl ec h t li c h e V er m e h r u ng ko mbi n i ert . Er b eg i nnt mi t d er s ex u e ll en Fort p flan zu ng d er erwac h- s enen Q u a ll en, d er M e dus en . Da b e i ge b en m änn li c h e Q u a ll en Sp er mi en i n s Wa ss er a b , di e di e E i er d er We ib c h en b e f r u c h ten . A us d en b e f r u c h teten E i ern ent s te h en w i n zi ge, f re i s c h w im- m en d e Larven, s ogenannte Pl an ul ae . N ac h k u r z er Ze i t s et z en si c h di e Pl an ul ae a uf f e s ten O b erfläc h en w i e b e ispi e ls we is e a uf Fe ls en o d er a uf A l gen f e s t u n d verwan d e l n si c h i n s e ss- h a f te P o l y p en . D i e s e können si c h ü b er M onate o d er s ogar ü b er J a h re hi nweg du rc h Kno spu ng ver m e h ren u n d s o mi t
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