A l exan d er Dre ss e l ent d eckte s e i ne Le id en s c h a f t f ür U nterwa ss erwe l ten f rü h: » S c h on a ls K i n d bi n li e b er a m Bac h ent l ang sp a - zi ert, a ls ü b er d en R a d weg zu f a h ren«
liegt. Besonders erfolgreich ist Dressel bei der Zucht Pazifischer Kompassqual- len. »Die meisten anderen Züchter ha- ben das Problem, dass die Tiere irgend- wann aufhören zu pumpen, also sich nicht mehr pulsierend fortbewegen, und dann verenden. Warum sie bei uns wei- terwachsen, weiß ich auch nicht genau, aber es funktioniert«, erzählt er schmun- zelnd. Der komplexe Fortpflanzungszyklus von Quallen gibt also selbst dem Profi- züchter noch immer viele Rätsel auf. Die- se zu lüften haben sich Andreas Kunz- mann und seine Arbeitsgruppe »Experimentelle Aquakultur« vom Leib- niz-Zentrum für marine Tropenfor- schung in Bremen zur Aufgabe gemacht. Auch hier finden sich Dutzende Aquari- en. Korallen, Mangroven, Fische, Gar- nelen, Algen, Seegurken und eben auch Quallen züchten die Forschenden im Auftrag der Wissenschaft – und der Poli- tik, die sich mit einem ungewöhnlichen Anliegen an das Institut gewandt hat. »Im Rahmen unseres seit sechs Jah- ren laufenden Projekts ›Food for the Fu- ture‹ hat uns das Bundesministerium für Bildung und Forschung ausdrücklich dazu aufgefordert, ohne Denkverbote nach verrückten Ideen für die Zukunft der Nahrungsmittelversorgung zu su- chen«, sagt Kunzmann. So seien die Wis- senschaftler auf Quallen als mögliche Proteinquelle gestoßen, da sie ver- gleichsweise einfach zu züchten sind und keine Konkurrenz zu anderen Lebens- mitteln darstellen. EXPERIMENTE MIT LICHT UND TEMPERATUR Im Unterschied zu Dressels Farm züchtet Kunzmanns Team die meisten Quallen ungeschlechtlich durch Polypen-Tei- lung. Diese Methode ist weniger zeitauf- wendig, da die Tiere geklont werden – bringt allerdings keinen genetischen Austausch. »Wenn wir damit Aquakultur
Die Jellyfish Farm beherbergt
17 Quallenarten in rund 200 Aquarien
betreiben wollen, müssen wir jedoch auch den sexuellen Teil der Vermehrung verlässlich im Griff haben«, so Kunz- mann, »erst dann können wir kontinu- ierlich produzieren.« Doch der Über- gang vom Polypen zur Meduse ist beinahe so geheimnisvoll wie die Nesseltiere selbst. Denn welche Umweltreize, Tem- peratur, Licht, Nährstoffe sowie geneti- sche und hormonelle Faktoren die Qual- len zur Vermehrung anregen, ist noch weitgehend unbekannt. Selbst unter identischen Bedingungen starten man-
che Polypen im Labor die sexuelle Ver- mehrung sofort, während andere jahre- lang im Polypenstadium verweilen. Dass der Faktor Temperatur bei der Umwandlung des Polypen zur Qualle wichtig ist, fanden Forscher der Uni Kiel bereits 2014 heraus. Sie untersuchten dafür die Ohrenqualle Aurelia aurita. Die Metamorphose der Polypen begann, so- bald ein Molekül namens CL390 aktiviert wurde. Das passierte erst, nachdem die Wassertemperatur von 18 Grad Celsius auf 10 Grad herabfiel.
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