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In Jalta weihte Putin 2017 ein Denkmal für Zar Alexander III. ein, dessen reaktionäres Regime die Mitsprache des Volkes beschnitt
verfügt hat – auch in Reaktion auf Russ- lands schmachvolle Niederlage im Krimkrieg. So verwirft der neue Zar gleich als Erstes den Plan seines Vaters, gewählte Vertreter aus der Bevölkerung an Beratungen von Gesetzen teil- nehmen zu lassen. Er entlässt liberale Minister aus der Regierung, schränkt die Autonomie der Universitäten ein und verringert die Zahl der Studenten. Hatte Alexander II. den Menschen in den Städten und auf dem Lande noch erlaubt, in gewählten Gremien ihre regionalen Belange autonom zu regeln, so schränkt sein Sohn nun den Kreis der Wahlberechtigten und die Kompe- tenzen dieser Organe ein. Doch nicht alles, was Alexander sich wünscht, kann er durchsetzen: Die Justizreform seines Vaters, die Russland in einen Rechtsstaat mit unabhängigen Richtern und Geschworenengerichten verwandelt hat, können die klügeren unter seinen Beratern erfolgreich ver- teidigen. Auch die wohl größte Tat sei- nes Vorgängers, die Befreiung der Bau- ern aus dem Joch der Leibeigenschaft, lässt Alexander im Kern unangetastet. Hart trifft sein reaktionäres Regime jedoch die Juden im Zarenreich: Gegen Pogrome, die nach der Ermordung Alexanders II. überall aufflammen, schreitet dessen Sohn zunächst kaum ein. Mehr noch: Er verbietet den Juden, sich auf dem Lande niederzulassen – vorgeblich, um sie zu schützen, tatsäch- lich aber, weil er sie für Unruhestifter hält, die das Bauernvolk gegen ihren Herrscher aufwiegeln könnten. Auch die nicht russischen Völker im Imperium, zum Beispiel die Polen, die Ukrainer, aber auch die deutsche Oberschicht im Baltikum, müssen unter Alexander III. leiden: Immer mehr drängt die Obrigkeit ihre Mutter- sprachen ins Abseits, an Schulen und Universitäten etwa wird nur noch auf
und für die Bewahrung der Autokratie seine Bestimmung – ebenfalls ganz in der Tradition seines Großvaters, als dessen Wiedergänger er manchem erscheinen mag. Hochgewachsen und außergewöhn- lich kräftig, von eher mäßiger Intelli- genz und mitunter ungelenk im Umgang mit anderen Menschen, ist Alexander in den 13 Jahren seiner Herrschaft vor allem damit beschäftigt, liberale Reformen zurückzunehmen oder abzuschwächen, Reformen, die sein Vater in den Jahrzehnten zuvor
Alexander III. 1845–1894 Herrschaftszeit: 1881–1894
ER IST DER VORLETZTE Zar in der russischen Geschichte, und wie bei seinem Großvater Nikolaus I. ist sein Regierungsantritt von einem Akt der Gewalt geprägt: 1881 gelangt er mit 36 Jahren an die Macht, weil revolu- tionäre Terroristen seinen Vater Alexander II. ermordet haben. Fortan sieht er im Kampf gegen die Revolution
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2/2024
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