P.M. Schneller Schlau

Welcher französische Spion lebte jahrzehntelang als Frau? D ass Geheimagenten zum Zweck der Tarnung bisweilen in an- dere Rollen schlüpfen müssen, das war auch schon im 18. Jahr- wurde – mit dem eindeutigen Befund, dass es sich bei d’Eon biologisch um einen Mann handelte. Diese Enthüllung führte in der vikto-

Heute gilt Chevalier d’Éon als eine der frühesten bekannten historischen Figu- ren, die sich außerhalb der traditionel- len Geschlechtsidentität befand – und eine queere Lebensweise wählte, wie sie heutzutage immer mehr Akzeptanz findet. (us)

hundert so. Und Chevalier d’Éon war ein Spion, ein sehr guter sogar. Er gehörte zum »Secret du Roi«, dem geheimen Agentennetzwerk von König Ludwig XV. Geboren 1728 unter dem Namen Charles Geneviève Louis Auguste André Timo- thée d’Éon de Beaumont, stammte er aus dem niederen Adel. Bereits als Schüler galt er als brillanter Kopf. Nach dem Jurastudium trat er in den diplomati- schen Dienst ein. Schon bald gehörte er zu den Besten in der französischen Ge- heimdiplomatie und wurde auch auf Auslandseinsätze entsandt. Während einer Mission nach Russ- land (1756–1760) soll er sich dabei zum ersten Mal als Frau ausgegeben haben: Um sich Zugang zu den höchsten Kreisen am Zarenhof zu erschleichen, erschien er dort als »Mademoiselle Lia de Beau- mont«. Doch wie es scheint, steckte hin- ter dieser Verwandlung mehr als nur ein berufsbedingter Rollenwechsel. Denn auch nach seiner Rückkehr behielt d’Eon seine Rolle bei. Historische Quellen le- gen nahe, dass er ab den 1770er-Jahren allseits darauf bestand, als Frau an- erkannt und behandelt zu werden. Er behauptete, schon immer weiblich gewesen zu sein, und äußerte das auch offensiv gegenüber Hof und Gesell- schaft. Er nannte sich fortan »La Chevalière d’Éon« und trug die letzten 30 Jahre seines Lebens ausschließlich Frauen- kleidung. Außerdem siedelte er nach London über, wo man ihn als Mann zu- vor gar nicht gekannt hatte, und lebte dort das Leben einer Frau. Dennoch gab es Gerüchte um seine Vergangenheit, die dazu führten, dass sein Körper nach sei- nem Tod 1810 von Medizinern obduziert

rianischen Gesellschaft, die bis dahin die weibliche Identität d’Éons akzeptiert hatte, zu einem handfesten Skandal.

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