P.M. Schneller Schlau

GESCHICHTE

Wo im spätmittelalterlichen England wurden die meisten Morde verübt?

D as Leben in der Großstadt London war im 14. Jahrhundert vergleichsweise beschaulich und sicher – zumindest im Vergleich zur kleinen Universitätsstadt

Oxford. Das stellte eine Studiengruppe um den Kriminologen Manuel Eisner von der Cambridge University fest, als sie mehr als 350 spätmittelalterliche Mord- fälle in den britischen Städten London, Oxford und York verglich. Mit 60 bis 75 Mordopfern auf 100 000 Einwohner lag die Rate in Oxford vier- bis fünfmal höher als in den beiden anderen Städten und sogar 50-mal höher als in heutigen britischen Großstädten. Das Problem war offenbar das Milieu: Die spätmittelalterlichen Akten listen in Oxford 75 Prozent der Täter als »clericus« – also Studenten oder andere Mitglieder der Hochschule –, während 72 Prozent der Mordopfer ebenfalls aus dem Umfeld der Universität stammten. Die hohe Mordrate erklärt sich durch die soziale Zusammensetzung der Studen- tenschaft, die in der Regel männlich,

zwischen 14 und 21 Jahre alt und zum ersten Mal im Leben von der strengen Kontrolle durch Familie, Gemeinde oder Gilde befreit war. Hoher Alkoholkonsum in den Kneipen und eine reiche Auswahl an Prostituierten steigerten das Konfliktpotenzial zusätz- lich. In York wurde hingegen hauptsäch- lich im Rahmen von Fehden zwischen konkurrierenden Handwerkern gemordet. Das Tragen von Waffen in der Öffentlich- keit, so die Forschenden, sei damals üblich gewesen. Ein Messer führten die meisten Männer als Essbesteck oder auch für kleinere Arbeiten stets mit sich, und jeder Haushalt verfügte über eine Axt, mit der Holz für den Ofen gespaltet wurde. Auch lange Holzstäbe und Schwerter gehörten oft zur Ausstattung. Letztere dienten in London bei zwölf Prozent der Morde als Tatwaffe. (af)

Mord und Totschlag unter Studenten – im Oxford des Spätmittelalters nicht unüblich

Warum sagen wir …

weniger anspruchsvoll: ein Vorbote für die abwertende Note, die dem Wort bald anhing. In Deutschland setzte sich diese ab dem 17. Jahrhundert durch. Was als trivial bezeichnet wird, gilt seitdem zumeist als einfach, abgedroschen und platt, etwa die Trivialliteratur. Ein Sonderfall sind dagegen die Trivialnamen in einigen Wissen- schaftszweigen: Sie übersetzen komplexe Bezeichnungen in einfach zu merkende Begriffe. In der Chemie zum Beispiel wird so aus Calciumsulfat-Dihydrat der besser bekannte Gips. Und in der Biologie heißt es statt Bellis perennis einfach trivial: Gänseblümchen. (jn)

» trivial « ? B anal, trashig, unbedeutend – den Begriff »trivial« nutzen wir heute meist abschätzig. Dabei war er ursprünglich neutral gemeint: Er stammt aus dem antiken Verkehrswesen. Das Römische Reich trieb ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. den Ausbau des Straßennetzes in Europa entscheidend voran. Trafen dabei drei Routen auf- einander, wurde die Kreuzung im Lateinischen als »trivium« bezeichnet, von »tri« (drei) und »via« (Weg). Lag eine solche Kreuzung in einem Dorf oder einer Stadt, entwickelte sie sich mitunter zum beliebten Plätzchen, an dem sich die Nachbarschaft traf – und quatschte. Informationen, die dort ausgetauscht wurden, nannten die Menschen deshalb schon damals »trivialis«: Die Fakten galten damit als allgemein bekannt, da über sie schon auf dem Marktplatz geredet wurde. Seinen negativen Beigeschmack erhielt der Begriff erst im Laufe der Jahrhunderte. Motor dafür waren die Universitäten des Mittelalters: Dort wurde das Grundstudium als trivial be- zeichnet, weil es damals lediglich drei Fächer (Grammatik, Dialektik, Rhetorik) umfasste – im Gegensatz zum Aufbaustu- dium, dem Quadrivium, mit seinen vier Fächern (Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie). Das triviale Studium war also



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