GESUNDHEIT
Per Genschere lassen sich in lebenden Mäusen mehrere Gen- defekte auf einmal testen. Die Methode könnte die Zahl der Tierversuche senken
Wie kann die Wissenschaft den Gebrauch von Versuchstieren reduzieren?
U m menschliche Erkrankungen zu erforschen, verwendet die Forschung gern Tiermodelle. Zum Beispiel bei Erbkrank- heiten: Die Forschenden züchten dann Versuchstiere, in denen das ein oder andere Gen »ausgeschaltet« oder ver- ändert wurde. Nämlich ein Gen, das im Verdacht steht, bei der Entstehung des Leidens eine Rolle zu spielen. Da bei den meisten Erkrankungen allerdings mehr als nur eine Erbanlage verändert ist, mussten für Studien bislang viele unterschiedliche Tiere mit verschiedenen Genveränderungen aufgezogen werden. Nun aber hat der Molekularbiologe António Santinha von der ETH Zürich ein Verfahren entwickelt, das die Zahl der nötigen Versuchstiere verringert. Wie der Doktorand im Fachblatt »Nature« berichtet, ist es ihm mit seinen Kollegen gelungen, in einem Versuchstier gleich-
zeitig Körperzellen mit jeweils unter- schiedlichen Genveränderungen zu er- zeugen. In einem einzigen Experiment konnte das Team daher die Folgen vieler unterschiedlicher Genveränderungen auf einen Schlag erforschen. Was ande- ren Forschenden bereits in Zellkulturen und winzigen künstlichen Organen (Organoiden) geglückt war, ist Santinha nun in lebenden Mäusen gelungen. Dafür verwendete er die Genschere CRISPR/Cas, mit der sich das Erbgut an bestimmten Stellen schneiden und ver- ändern lässt. Mithilfe spezieller Viren brachte Santinha verschiedene Gen- scheren mit unterschiedlichen Auf- trägen in die Zellen der Versuchstiere. In der Studie untersuchten die Forschenden eine Erbkrankheit des Gehirns, bei der die Betroffenen oft eine Schizophrenie oder eine Form von Autis- mus entwickeln. Zwar war bekannt, dass eine Vielzahl von Genen das Erbleiden
auslösen, doch nicht, welche besonders bedeutsam sind. Das Team sah sich nun 29 Gene an, die bei der Maus und im Ge- hirn des Menschen aktiv sind. Es gelang den Wissenschaftlern, mithilfe der ver- schiedenen CRISPR/Cas-Scheren diese Gene in jeweils verschiedenen Zellen des Gehirns eines Versuchstiers auszuschal- ten. So fand das Team heraus, dass drei davon zu entsprechenden Funktions- störungen der Hirnzellen führten. (av)
Tests mit Zellkulturen werden immer raffinierter und ersetzen viele Tierversuche
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