GESELLSCHAFT
Steigert das Zeitungssterben die Wirtschaftskriminalität?
M edien werden in Demokratien auch die »vierte Gewalt« genannt – neben Legislative, Exekutive und Judikative. Denn zu ihren Aufgaben gehört die Kontrolle der Mächtigen in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Besonders nah dran sind Lokaljournalisten dabei – auch, weil sich Menschen, die von Missständen erfahren, an sie wenden können. Die Rolle der Lokalzeitun- gen wird oft unterschätzt. Dabei hat es drastische Folgen, wenn es solche nicht mehr gibt, wie eine amerikanische Studie zeigt. In den vergangenen 20 Jahren wurden in den USA mehrere Dutzend Titel eingestellt. Und damit auch Redaktionen. In einigen Regionen hat sich ihre Zahl halbiert. Ein Team von drei Ökonomen aus Harvard, San Diego und Rotterdam sah sich in 45 derart betroffenen Gebieten an, wie sich das Zeitungssterben auf die Wirtschafts- und Umwelt- kriminalität ausgewirkt hat. Das Ergebnis ist erschreckend: Die Fälle von Betrug, Finanzvergehen, Verstößen gegen das Arbeitsschutzrecht sowie Wasser- und Luftverschmutzung
nahmen zu. Viele börsennotierte Unternehmen, die zuvor vermutlich aus Sorge um ihren Ruf und die davon abhängi- gen guten Geschäfte gesetzestreu waren, ließen ihre Sorgfalt im Umgang mit Mensch und Natur nunmehr arg schleifen. Die Zahl der Verstöße, die trotz mangelnder Lokalpresse aufflogen, stieg um 1,1 Prozent, die Geldbußen in Regionen ohne Lokalredaktionen um über 15 Prozent. Wo es gar keine Zeitung mehr gab, schnellten sie um 36 Prozent nach oben, unter anderem nahm zudem die Schwere der Delikte drastisch zu. Auch die Umwelt büßt bei fehlender Kontrolle: Der Ausstoß giftiger Gase stieg in Regi- onen ohne Lokalmedien um durchschnittlich 18,3 Prozent. Die Forschenden gehen davon aus, dass die Dunkelziffer der kriminellen Firmen und des Schadens, den sie anrichten, noch um einiges höher liegt. Gibt es vor Ort keine Journalis- tinnen und Journalisten mehr, an die sich Mitarbeitende oder andere Whistleblower wenden können, fliegen viele Straf- taten eben einfach nicht mehr auf. (crs)
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02/2024
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