AKTUELL
Universität Freiburg. An seinem Institut werden unter anderem neue Schutzma- terialien im Computer simuliert und im Experiment getestet. Hiermaier kennt die Herausforderungen. »Die perfekte Weste gibt es nicht«, erklärt der gelernte Luft- und Raumfahrtingenieur. »Die stellt immer einen Kompromiss zwi- schen Schutz, Gewicht, Tragekomfort und Flexibilität dar.« Um diesen Kompromiss ringen die Materialforscher. Sie entwickeln Schutz- systeme, die nicht nur Projektile stop- pen, sondern sich dem Körper anpassen und sogar Vitaldaten messen (siehe Kas- ten Seite 11). Da geht es um Flüssigkeiten, die sich bei Aufprall verhärten, Gewebe aus molekular verschränkten Polymeren und Sensoren, die nicht nur warnen, sondern Leben retten können. Allem voran sollen Schutzwesten noch fester, leichter, sicherer und be- quemer werden. Welche Richtung domi- niert, hängt von der Anwendung ab. Po- lizei und Sicherheitspersonal benötigen vor allem Schutz vor Pistolenkugeln, Messern und anderen Nahkampfwaffen. Um Gewicht zu sparen, aber auch um sich möglichst unauffällig zu kleiden, tragen sie zumeist weiche Schutzwesten. Bei militärischen Konflikten dage- gen ist stärkerer Stoff gefragt. Da soll die Bekleidung Treffer aus schweren Waffen
Be ispi e l von Gewe b e s c hi c h ten i n e i ner »we i c h en« S c hu t z k l e idu ng (o . ), S c hu t zpl atten f ür e i ne mili tär is c h e Ka mpf we s te ( l. )
von Geschossen, indem sie deren kineti- sche Energie aufnehmen und auf eine größere Fläche verteilen. So bleibt das Projektil in der Weste stecken, verformt diese jedoch und fügt dem Träger ein »stumpfes Trauma« zu. Eine kugelsiche- re Stoffweste schützt also zumeist vor le- bensbedrohlichen Verletzungen, macht aber ihre Träger nicht völlig immun. Was passiert nun genau, wenn ein Schuss trifft? Sobald ein Projektil ein- schlägt, beschleunigt es das Gewebe der Weste in Vorwärtsrichtung. Das dehnt die Fasern, wobei diese die Aufprallener- gie teilweise oder vollständig absorbie- ren. Optimal sind mehrere Lagen – je mehr, desto besser. »Ein Neun-Millime- ter-Geschoss aus einer Pistole lässt sich damit durchaus stoppen, dreißig Lagen sollten reichen«, erklärt Hiermaier. »Aber ein spitzes Gewehrgeschoss wie die NATO-Standardpatrone 7,62 × 51 Mil- limeter würde auch so ein Mehrlagensys- tem glatt durchstoßen.« Gegen solche militärische Munition helfe nur eine harte Schicht aus Keramik.
und Schrapnelle abhalten, auch Mehr- fachtreffer aus Schnellfeuerwaffen, die sogenannten Multihits. Militärische Kampfkleidung nutzt dafür zumeist Doppelschichten: innen weich gepols- tert, außen armiert mit Platten, die in Taschen verstaut werden. Die bestehen aus Metallen, Keramiken wie Silizium- karbid, oder Polyethylen-Kunststoffen. DIE RÜSTUNG SCHÜTZT, MACHT ABER NICHT VÖLLIG IMMUN Kugelsichere Westen, egal ob für Polizei oder Militär, verhindern das Eindringen
Einschlag eines Projektils in Metall: Bei extrem hohen Geschwindigkeiten üben selbst kleine Geschosse gewältige Kräfte aus
Da s M o d e ll z e i gt, w i e si c h di e S c hu t z k l e idu ng b e im E i n s c hl ag e i ner K u ge l ver f or m t : D i e We s te s to pp t d a s P rojekt il , d oc h d er Dr u ck f ügt d e m Träger e i n s t umpf e s Tra um a zu (o . )
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