ALPHA
AUS DEM LABOR
Glasfaser ist da – doch künstliche Intelligenz verlangt noch mehr Tempo. Forscher rüsten die Lichtleitungen für die Zukunft
E twas Unfassbares passiert gerade in Deutschland: Glasfaserkabel werden verlegt. Flächen- deckend! Endlich. Lange haben wir in der digitalen Steinzeit ge- lebt, während Südkorea längst Videokonferenzen in Lichtge- schwindigkeit abhielt. Aber jetzt geht’s voran. Doch kaum ist das Glasfaser- netz in Sicht, rollt schon die nächs- te Datenlawine auf uns zu – ange- trieben von künstlicher Intelligenz. Chatbots, Echtzeitübersetzungen, selbstfahrende Autos, virtuelle Welten – all das verlangt mehr als nur schnelles Internet. Es verlangt: Lichtgeschwindig- keit in XXL. Glasfaserkabel funktionieren im Prinzip wie ein extrem lang gezogenes Morsegerät: Wer am einen Ende mit Lichtsignalen blinkt, kann am anderen Ende Nachrichten empfangen – nur eben nicht mit Taschenlampen, sondern mit Lasern. Der Trick dabei: Die Lichtimpul- se rasen durch den Glaskern des Kabels, der von einer Hülle umgeben ist, die das Licht immer wieder zurück in die Bahn wirft. So verlieren die Signale kaum an Tempo oder Kraft – auch nicht über rund zwei Dutzend Kilometer hinweg. Und weil ein einzelner Laser ein biss- chen einsam wäre, funken moderne Glasfasern gleich auf mehreren Fre- quenzen – also mit Licht in verschiede- nen Farben – gleichzeitig durch densel- ben Draht. Das spart Platz und steigert die Datenmenge. Doch hier ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Mehr Farbe geht nicht. Mehr Power muss her.
Dafür braucht man neue Signalverstär- ker – quasi Super-Megafone für Licht –, die nicht nur einen, sondern viele Datenkanäle gleichzeitig verstärken können. Die IOF-Forscher haben einen Prototypen entwickelt, der mit bis zu zwölf Kanälen umgehen kann. Was heißt: Luft nach oben ist noch da. Zweiter Trick: Die Datenströ- me noch feiner aufsplitten. Dazu braucht es ein besonders empfind- liches optisches Gitter, das Laserlicht in noch mehr Frequenzen zerlegt. Stand der Technik war bislang eine Auf- lösung von 100 Gigahertz. Die Jenaer Tüftler haben sie auf 25 GHz gedrückt – viermal mehr Frequenzen, viermal mehr Daten. Selbst das schnellste Netz nützt nichts, wenn die Vermittlung lahmt. Frü- her brauchte man dafür Kisten voller Technik. Heute geht’s auch kompakter: mit LCoS-Spiegeln (Liquid Crystal on Si- licon). Die neuen Modelle können gleich- zeitig acht Eingänge mit 16 Ausgängen verbinden – das entspricht etwa dem Sprung von der Telefon-Handvermitt- lung zur Tonwahl. Und das Ganze nennt sich WESORAM – klingt sperrig, bedeutet aber: weniger Technik, mehr Tempo. Dr. Steffen Trautmann vom IOF ist überzeugt: »Wir haben eine Technologie geschaffen, die nicht nur schneller und günstiger ist – sie verschafft Europa auch einen echten Vorsprung.«
Oben: Ein Kabel, in dem 16 Glasfasern kombiniert sind. Künftig versieben- facht sich die Kapazität pro Faser. Links: der Flüssig- kristallspiegel, der die Frequenzen aufsplittet
Am Fraunhofer-Institut für Ange- wandte Optik und Feinmechanik (IOF) in Jena wird daher an der nächsten Genera- tion gearbeitet: Multikernfasern. Statt nur eines Glasstrangs enthalten sie gleich sieben – in einem einzigen Kabel. Das er- höht die Datenrate auf einen Schlag um den Faktor sieben. Und das Kabel ist trotzdem kaum dicker als ein normales. Der Haken? Wenn man sieben Daten- ströme gleichzeitig durchs Kabel jagt, dürfen die sich nicht gegenseitig stören.
Tech-Journalist Karl-Gerhard Haas erklärt jeden Monat die innovative Technik hinter einem Produkt.
18 P.M. 08/2025
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