LANGE ZEIT GLAUBTEN SELBST
FACHLEUTE: OHNE KOHLE KEIN STAHL
> 90 Prozent des Altstahls werden wiederverwendet. Nebenprodukte aus der Stahlproduktion wie Stäube und Schlämme erreichen
gibt es jedoch Alternativen, die fast ohne CO₂- Emissionen auskommen und sogar reineren Stahl herstellen, zumindest im Labor. Die Frage ist: Las- sen sich mit ihnen auch die heute weltweit produ- zierten 1,9 Milliarden Tonnen und mehr pro Jahr herstellen? Und wenn ja, wäre der Werkstoff dann noch bezahlbar? B islang mussten sich die europäischen Un ternehmen um ihren CO₂-Ausstoß wenig kümmern. Zwar soll ein Handelssystem für Emissionsrechte in der EU vor allem Firmen in ener- gieintensiven Branchen dazu anhalten, umwelt- freundlicher zu produzieren. Doch bislang funk tioniert das in der Praxis nicht. Die Idee dabei: Jeder Betrieb muss für die Menge an CO₂, die er ausstößt, Emissionsrechte kaufen. Je weniger ein Konzern von dem Treibhausgas freisetzt, desto weniger die- ser Zertifikate muss er erwerben und desto billiger wird für ihn die Produktion. Tatsächlich haben die EU-Stahlhersteller in den vergangenen Jahren die Zertifikate allerdings gratis erhalten, damit sie nicht in Länder mit billigeren Produktionsbedingungen abwandern. Das soll sich ändern: Künftig müssen die Unter- nehmen zahlen. Die Emissionsrechte sollen nach und nach teurer werden, während Zölle auf um- weltschädliche Importe den Nachteil ausgleichen sollen. Deshalb suchen die europäischen Firmen
mehr gibt es nicht genug Material. Zudem geht es auch ohne Primärstahl nicht, da beim Recyceln vier Prozent verloren gehen und sich andere Metalllegie- rungen in den Stahl mischen, die ihn spröder ma- chen oder seine Leitfähigkeit verringern. »Wenn wir nur allen Schrott wieder einzu- schmelzen bräuchten, müssten wir nicht lange grü- beln«, sagt Matthias Weinberg, Leiter der Metallur- gie von Thyssenkrupp Steel. »Aber wir können auf Primärstahl nicht verzichten. Und den werden wir nicht von heute auf morgen grün kriegen.« Es braucht also mehr als Elektrolichtbogenöfen und einen Stromanbieterwechsel. Ein alternatives Verfahren ist nötig, um aus natürlichem Eisenerz reinen Stahl zu machen, und das schnell. Sonst ge- rät das Ziel, 2050 Netto-Null zu emittieren, außer Reichweite. Netto-Null heißt: Emissionen, die sich nicht vermeiden lassen, müssen aus der Atmosphä- re wieder entnommen werden. Lange Zeit glaubten selbst Experten: ohne Koh- le kein Stahl. Sie hielten den Koks für unersetzlich, um das Erz von der Schlacke zu trennen. Inzwischen
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Im Bochumer Thyssenkrupp-Werk transportiert ein Arbeiter eine Walz- stahlspule per Kran
20 P.M. 02/2024
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