VISIONEN | STAHLPRODUKTION
Die Kohle der Zukunft WASSERSTOFF Das kleinste aller Elemente ist die größte Hoffnung für die Energiewende. Wasserstoff soll für Strom sorgen, wenn kein Wind weht und keine Sonne scheint. Er soll die Kohle ersetzen, wo sie lange Zeit unersetzlich schien, in chemischen Verfahren, etwa bei der Herstellung von Aluminium, Glas oder eben Stahl. Technisch ist der Ersatz teils besser als das Original. Die Frage ist nur, wann es genug von ihm gibt. Jährlich werden in Deutschland rund 55 Terawattstunden Wasserstoff verbraucht. Im Jahr 2045, wenn Deutschland klimaneutral sein soll, wird der Bedarf etwa 10- bis 20-mal so hoch sein. Es braucht aber nicht nur viel mehr Wasserstoff, es braucht viel mehr grünen Wasserstoff. Bislang wird das Element meist aus fossilem Erdgas gewonnen, was viel CO₂ ausstößt. Um das Klima zu schützen, muss Wasser mit grünem Strom durch sogenannte Elektrolyse in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt werden. Aber gerade die grün erzeugte Variante wird in absehbarer Zukunft voraussichtlich knapp und teuer bleiben. Bisher gibt es nur wenige Abkommen und viele Ideen, woher der Wasserstoff kommen soll. Etwa ein Drittel soll in Deutsch- land erzeugt werden, bis zu 70 Prozent sollen aus dem Ausland kommen. Hier blickt die Regierung vor allem auf Namibia und Marokko (im Bild das Solarkraftwerk von Ouarzazate), die viel Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen können. Bis zum Jahr 2032 sollen 9700 Kilometer an Wasserstoffleitungen Häfen, Speicher, Kraftwerke und Industriezentren miteinander verbinden. 19,8 Milliarden Euro sind für das Projekt eingeplant. Dafür sollen zu 60 Prozent Erdgasleitungen umgerüstet werden.
schmutzigsten Industrien rein machen, die fossile Ära am besten schon morgen beenden. Auch Thyssenkrupp will anstelle seiner vier Hochöfen Direktreduktionsanlagen bauen, in de- nen statt Koks Wasserstoff dem Erz die Schlacke un- ter großer Hitze entreißt. Dabei entsteht nichts als Wasser und feste Roheisenbriketts, die dann ver- flüssigt werden. Das Ergebnis: reinerer Stahl und 95 Prozent weniger CO₂-Emissionen. D och die Anlagen verschlingen Unmengen an Strom und Wasserstoff, dessen Produktion selbst wiederum Unmengen an Strom ver- schlingt. Dieser müsste aus erneuerbaren Energien gewonnen werden, damit die Abgase nicht einfach durch einen anderen Schlot geblasen werden. Schät- zungen zufolge wären allein für die deutsche Stahl- industrie 100 bis 120 Terawattstunden nötig, um zu- nächst grünen Wasserstoff und damit dann grünen Stahl zu produzieren. Das wäre etwa die Hälfte des Stroms, der hierzulande im Jahr 2022 mit erneuer- baren Energien erzeugt wurde. Statt der Koksberge bräuchte es viele Wind räder. Nach Kalkulation von Thyssenkrupp Steel würde sich fast jedes der rund 3700 Windräder in Nordrhein-Westfalen nur drehen, um den Energie- hunger seines Stahlwerks zu stillen.
22 P.M. 02/2024
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