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Ein 82-Jähriger aus Bad Salzuflen überwies kürzlich 2700 Euro an »Elon Musk« – der habe ihm einen Tesla geschenkt, nur der Zoll müsse noch be- zahlt werden. Begeistert erzählte er einem Freund von dem Gespräch. Selbst gegenüber der Polizei be- stand er darauf, wirklich mit Musk gesprochen zu haben. Anderthalb Stunden brauchten die Beam- ten, um ihn zu überzeugen, dass er einem Betrug aufsaß. Auch eine Frau aus Weingarten in Ober- schwaben fiel auf den Trick herein – nachdem der Betrüger über Wochen per WhatsApp Vertrauen zu ihr aufgebaut hatte. Sie überwies ihm 12 000 Euro. FALSCHE SCHULDZUWEISUNG Die Opfer zu verurteilen wäre vorschnell. Auch hier spielt uns das Gehirn einen Streich: Wer einmal glaubt, mit der eigenen Tochter oder einem Promi- nenten zu sprechen, erkennt deren Stimme – selbst wenn sie es nicht ist. Voice Cloning – die computer- generierte Nachahmung einer Stimme – verstärkt diesen Effekt, aber selbst ohne diese Technologie funktionieren solche Anrufe erschreckend gut. Auch mich kontaktierte der falsche Elon Musk über den Messenger-Dienst Signal. Er war auf meinen »Honeypot« gestoßen. Ich trieb die Diskussion so weit, dass er mich per Videocall anrief. Tatsächlich sah der Mann Musk ähnlich. Was seinen Auftritt als Deepfake entlarvte, war, dass er nur zwei Sätze sprach und dann auflegte. Aber allein so ein Anruf kann viele Menschen beeindrucken. Und: Die tech- nische Entwicklung ist noch lange nicht zu Ende. Sie zeigt: Die zentrale IT-Sicherheitsidee, nur die Nutzer sensibilisieren zu müssen, greift zu kurz. Manche Unternehmen fokussieren sich ausschließ- lich auf Schulungen und Test-Phishing-Mails – und vernachlässigen technische Schutzmaßnahmen. »In der IT-Sicherheit wird immer mehr auf die User abgewälzt«, kritisiert Angela Sasse, Professorin für Human Centered Security an der Uni Bochum. Ihre arbeitswissenschaftlichen Studien zeigen: Ange- stellte reagieren auf die Forderung, Trainings zu ab- solvieren und dann »einfach keine Phishing-Mails mehr anzuklicken«, mit Ohnmacht und Angst. Das Problem: Nicht alle Phishing-Mails sind of- fensichtlich. Ich selbst fiel auf eine Test-Mail her- ein, die scheinbar von einem Kollegen stammte, mit dem ich gerade ein Projekt bearbeitete. »Hier etwas Aktuelles zu unserem Thema«, stand da, »ich soll dir diesen Text von der Chefredaktion weiter- leiten.« Völlig plausibel – solche Mails schickten wir uns ständig.
Was ist Doxxing?* SO FUNKTIONIERT DOXXING
. sammeln von privaten daten, z.b. über …
phishing Trojaner wird per E-Mail an Betroffenen gesen- det: Fremder erhält unbemerkt Kontrolle über Gerät; greift z. B. Passwörter von E-Mail-Accounts, sozialen Netzwerken ab. Durchstöbern des Geräts nach sensiblen Daten wie Telefonnummern, Fotos oder Chatverläufen hackerangriff Angreifer nutzt Sicherheitslücke aus, um z. B. auf Server einer Firma zu gelangen und massenhaft Kreditkartennummern o. Ä. abzugreifen social engineering Fremder gibt sich als jemand anderes aus, um über Dritte an persönliche Daten des Ausspio- nierten zu gelangen, etwa an die Handynummer
Durchsuchen öffentlicher Datenbanken nach persönlichen Infos wie Adressen, Rufnummern
. gesammelte daten werden im internet gespeichert . veröffentlichen der daten
*Doxx vom englischen Begriff documents (Dokumente)
pervertieren unsere evolutionären Stärken. Beson- ders perfide: Sie missbrauchen unsere Spiegel- neuronen. Diese Nervenzellen sorgen dafür, dass wir unweigerlich mitfühlen, was unser Gegenüber empfindet. Wir sehen den Schmerz, wir spüren ihn – und wollen helfen. Diese Neuronen hindern uns auch daran, Gespräche abrupt zu beenden. Wir wollen niemanden verletzen, weil es uns selbst schmerzt. Noch effizienter, noch mächtiger werden die Scammer durch künstliche Intelligenz. Sie hat den Betrügern einen regelrechten Boom beschert. KI erleichtert die Erstellung täuschend echter Inhalte, formuliert überzeugendere Botschaften in allen Sprachen, eliminiert Rechtschreibfehler und er- schafft nahezu perfekte Deepfakes. Dabei nutzt sie dieselben psychologischen Tricks wie Betrüger: Sie redet uns nach dem Mund, will uns wohlgesonnen stimmen. KI ist der perfekte Verkäufer.
Eva Wolfangel freut sich immer, wenn ihr ein Scammer in die Falle tappt. Den falschen Elon Musk würde sie gerne zum Interview überreden.
28 P.M. 08/2025
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