P.M. Magazin

FORSCHUNG | METEOROLOGIE

Mit einem Doppler- radar analysieren die Karlsruher Wissen- schaftler Wolken und leiten so Hagelwahr- scheinlichkeiten ab

P.M.: Herr Kunz, Hagelstürme jagen, wie geht das? KUNZ: Vormittags zwischen zehn und elf Uhr schaut sich mein Team am Karlsruher Institut für Techno- logie die detaillierten Vorhersagen des Deutschen Wetterdienstes an, die wir extra von dort bekom- men. Dann entscheiden wir, ob wir mit dem Auto losfahren, um ein vorhergesagtes Hagelgewitter in Süddeutschland zu jagen. Wir fahren dem Gewitter quasi hinterher und wollen es einholen. Sie sitzen also als Professor am Steuer und nicht etwa am Schreibtisch, um den Einsatz aus dem Büro zu koordinieren? Bei der Hageljagd gibt es keinen Professor. Da sind alle gleich – und ich bin natürlich dabei. Wie zuverlässig gelingt es, einen Hagelsturm einzuholen? Unser Hauptproblem ist, dass man in Deutsch- land nicht schnell genug von A nach B kommt. Einmal hatten wir beispielsweise ein Gewitter mit Hagel im Neckartal, dem Ort, an dem die meisten Hagelstürme hierzulande niedergehen. Dann war die Autobahn aber wegen eines Unfalls gesperrt, und wir standen im Stau. Als Hagelforscher ist der Straßenverkehr hierzulande ein Handicap. Wenn Sie ein Gewitter eingeholt haben, was geschieht dann? Wir versuchen, vor die Aufwindzone zu kommen. Die erkennt man mit bloßem Auge daran, dass die Wolken dort deutlich tiefer hängen. Das ist nur tagsüber möglich, deshalb jagen wir übrigens auch nicht nachts – wobei es in der Nacht ohnehin wenig Gewitter gibt. In der Aufwindzone wächst der Hagel. Dort herrschen extreme Windge- schwindigkeiten. Die Luft wird mit bis zu 200 Kilometer pro Stunde nach oben gerissen. Wenn wir es vor diese Zone geschafft haben, starten wir einen mit Helium gefüllten Wetterballon, an dem wir eine kleine Sonde befestigen. Der Ballon ist etwa einen halben Meter groß. Wofür ist die Sonde da? Sie soll von der Aufwindzone erfasst und bis zu zehn Kilometer nach oben gerissen werden. So

Michael Kunz ist Professor am

Institut für Meteoro- logie und Klimafor- schung des Karls- ruher Instituts für Technologie. Er leitet die Forschungsgrup- pe » Atmosphärische Risiken « und ist zu- dem Sprecher des Center for Disaster Management and Risk Reduction Tech- nology. Ein Schwer- punkt seiner wissen- schaftlichen Arbeit liegt auf der Erfor- schung von Extrem- wetterereignissen wie Hagel, Starkregen und Stürmen sowie deren Zusammen- hang mit dem Klima- wandel.

können wir damit direkt in die Gewitterwolken hineinschauen. Wir sind übrigens die Ersten in Europa, die das machen. Und auch in den USA wird diese Art von Forschung erst seit wenigen Jahren praktiziert. Wir haben zwei Typen von Sonden, eine ist mit fünf Zentimetern Durch-

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zu 200 Kilometer

pro Stunde nach

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32 P.M. 08/2025

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