P.M. Magazin

» Weibchen setzen Sex genauso strategisch ein wie Männchen « Wie steht es mit der Opferbereitschaft der Mütter? Geben Tiermütter ihr Leben für den Nachwuchs? Das ist immer eine Abwägungsfrage. Manche Tiermütter kommen an einen Punkt, an dem sie ihre Babys zurücklassen oder sogar auffressen. Entscheidend ist, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie sich noch einmal fortpflanzen können und unter welchen Umständen. Sie schreiben: Nicht nur das Verhalten der Weibchen wurden in der Forschung lange vernachlässigt, sondern auch ihre Fortpflan- Gibt es im Tierreich den sagenumwobenen Mutterinstinkt, der von Frauen oft erwartet wird? Das ist ebenfalls ein Mythos aus viktorianischer Zeit. Auch in der Tierwelt läuft nicht alles glatt. Jeanne Altmanns Forschung zu Pavianen ist ein faszinierendes Beispiel. Man stellte sich Weibchen lange als Robotermütter vor, die sich paaren, schwanger werden und so viele Junge wie möglich großziehen. Jeanne Altmann bewies das Gegen­ teil: Ein nennenswerter Teil der erstgeborenen Paviane stirbt, weil die Mütter nicht rechtzeitig lernen, die Babys gleichzeitig umherzutragen und zu stillen. Auch der soziale Rang spielt für den Fortpflanzungserfolg eine wichtige Rolle. Pavian­ weibchen am Ende der Hackordnung haben mehr Stress, sind schlechter genährt und müssen mehr Verluste verkraften. Auch können Paviane und Rhesusaffen ähnlich wie Menschen an post­ natalen Depressionen erkranken – umso häufiger, je größer die Belastungen sind, denen sie ausge­ setzt sind. All das widerspricht der Vorstellung, dass Weibchen einfach dazu geboren sind, Junge großzuziehen.

Weise Matriarchinnen WECHSELJAHRE Als das Orcaweibchen »Granny« (Foto) 2016 verschwand, wurde sein Alter auf bis zu 80 Jahre geschätzt. Außergewöhnlich an dieser Matriarchin, die eine Gruppe von 70 Tieren anführte, war jedoch nicht allein ihr Alter, sondern die Tatsache, dass sie ungefähr im Alter von 40 Jahren ihr letztes Kalb bekommen hatte. Die Menopause, also die letzte fruchtbare Phase, und die anschließende Postmenopause sind im Tierreich selten: Wenn der Zweck des Überlebens die Fortpflanzung ist, besteht kein Grund zum Weiterleben, so die Theorie. Der Mensch galt lange als Sonderfall. Doch nach und nach entdecken For- schende mehr Arten, die auch eine Menopause erleben können – etwa Schimpansen – und auch nach der fruchtbaren Phase ihres Lebens eine Aufgabe für die Gruppe erfüllen.

90 Prozent aller weiblichen Vögel kopulieren routine- mäßig mit mehreren Männchen. Ein Gelege kann somit etliche Väter haben. Eine Tatsache, die in der Wissenschaft lange als unmöglich galt

zungsorgane. Warum der Fokus auf Penisse? Man könnte denken, Penisse seien etwas auffäl­ liger, weil sie hervorstechen. Beispielsweise ist der Entenpenis lächerlich lang und wie ein Kor­ kenzieher gewunden. Vaginas hingegen, so dachte man lange, seien nur passive Röhren. Das stimmt aber nicht? Nein. Bleiben wir beim Beispiel der Enten: Die­ jenigen Erpel, die nicht als Partner ausgewählt wurden, rotten sich zusammen und zwingen die Weibchen zum Sex. Forschende gingen lange davon aus, dass die Männchen bei diesen Über­ griffen miteinander konkurrieren. Derjenige mit dem längsten Penis befruchtet das Weibchen, was zu einem evolutionären Wettrennen führte.

02/2024 P.M. 33

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