ie Erde vor 4,5 Milliarden Jahren. Ein höllisch heißer Planet, unfähig, Leben zu beherbergen. Über dem glühenden Urgestein tobt eine toxische Atmosphäre aus Kohlendioxid und Stickstoff. Keine Spur von Ozeanen, von Leben, von Wasser. Eine leere, tote Welt. Dann, aus den dunklen Tiefen des Sonnensystems, nähert sich ein unscheinbarer Gesteinsbrocken. Ein Komet – aber keiner der spektakulären Sorte mit leuchtendem Schweif. Einer, den heutige Astronomen leicht übersehen würden: ein dunkler Komet. Er schlägt ein, löst sich auf und setzt einen unsichtbaren Schatz frei: Wasser, eingeschlossen im Gestein. Über Jahrmillionen folgen Hunderte, Tausende dieser kosmischen Wasserlieferanten. Sie bringen nach und nach jene lebensspendende Flüssigkeit, die unseren blauen Planeten zu dem macht, was er ist. D
Das interstellare Objekt »Oumuamua« zeigt Eigenschaften eines dunklen Kome- ten. Die Oberfläche wurde vermutlich durch kosmische Strahlung mit einer Kruste überzogen, die das Verdampfen von Wassereis im Inneren verhindert haben könnte
Science-Fiction? Keineswegs. Für viele Wissenschaftler könnte genau so die Entstehungsge- schichte des irdischen Lebens begonnen haben. Und dunkle Kometen könnten dabei die ent- scheidende Rolle gespielt haben. MEHR ALS KOSMISCHER SCHUTT? Fragt man den Astronomen Aster Taylor, einen der führenden Experten auf diesem Gebiet, nach dunklen Kometen, so be- kommt man eine präzise Ant- wort: »Dunkle Kometen sind eine Art Hybrid – sie sehen wie Asteroiden aus, verhalten sich aber wie Kometen.« Sie hätten keine sichtbare Koma, jene ku- gelförmige Hülle aus Gas und Staub, die den festen Kern um- gibt. Auch suche man vergebens einen Schweif. »Trotzdem bewe- gen sie sich mit typischen, nicht gravitationalen Beschleunigun-
gen, wie wir sie sonst nur von Kometen kennen.« Taylor, der an der University of Michigan zu diesem Phäno- men forscht, hat gemeinsam mit Kollegen eine bahnbrechende Studie veröffentlicht. Darin schätzen die Wissenschaftler, dass bis zu 60 Prozent aller erd- nahen Objekte solche dunklen Kometen sein könnten. Eine ver- blüffend hohe Zahl, wenn man bedenkt, dass diese Himmels- körper bis vor Kurzem völlig un- bekannt waren. Wie wurden sie entdeckt? Die Geschichte beginnt 2016, als der Astronom Davide Farnocchia vom Jet Propulsion Laboratory der NASA einen merkwürdigen Asteroiden namens »2003 RM« beobachtete. »Sein Orbit wich leicht von den Berechnungen ab«, erklärt Taylor. »Es gab eine kleine, aber messbare Beschleu- nigung, die nicht durch
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