GEHEIMNISSE | ASTRONOMIE
vielleicht sogar einer der größ- ten Fragen überhaupt: Woher stammt das Wasser auf der Erde? Dieses Rätsel beschäftigt Wissenschaftler seit Jahrzehn- ten. Die Erde bildete sich in einer heißen Zone des Sonnensystems, in der Wasser größtenteils ver- dampft sein müsste. Woher ka- men also die gewaltigen Ozeane? Lange Zeit galten »normale« Ko- meten als Hauptkandidaten, doch isotopische Analysen zeig- ten, dass deren Wasseranteil eine andere Zusammensetzung hat als das Wasser auf der Erde. Hier kommen die dunklen Kometen ins Spiel. Da viele von ihnen aus dem Asteroidengürtel stammen, könnte ihr Wasser eine andere Isotopensignatur haben – eine, die besser zum ir- dischen Wasser passt. »Die Ent- deckung, dass Objekte aus dem Asteroidengürtel Eis enthalten, ist hoch spannend«, sagt Taylor. »Dies zeigt, dass es mehr Eis im inneren Hauptgürtel gibt, als wir bisher dachten.« Besonders verblüffend: Wir hatten diese Objekte die ganze Zeit vor unserer Nase – genauer: vor unseren Teleskopen – ohne dass wir sie als das erkannten, was sie wirklich sind. Das innere Sonnensystem, so scheint es, be- herbergt weit mehr »nasse« Himmelskörper als gedacht – po-
Gravitation zu erklären war.« Normalerweise deutet so etwas auf einen Kometen hin – auf aus- strömendes Gas, das wie ein winziger Raketenantrieb wirkt. Doch 2003 RM zeigte keinerlei Zeichen von Ausgasung, keinen Schweif, keine Koma – nichts. »Was wir für einen gewöhn- lichen Asteroiden hielten, ver- hielt sich in Wahrheit wie ein Ko- met«, sagt Taylor. »Wir nannten ihn daher einen dunklen Kome- ten – ein Objekt mit Eis im Inne- ren, das subtil verdampft, aber zu wenig Staub freisetzt, um für Teleskope sichtbar zu sein.« Mittlerweile haben die For- scher 14 solcher dunklen Kome- ten identifiziert. Und wie sich herausstellte, fallen sie in zwei verschiedene Kategorien: »Eini- ge kommen aus dem äußeren Sonnensystem und haben stark elliptische Bahnen wie Kometen aus der Jupiter-Familie«, erklärt Taylor. »Andere dagegen schei- nen aus dem inneren Astero- idengürtel zu stammen und haben nahezu kreisförmige Um- laufbahnen.«
Oumuamua, aufge- nommen 2017 von der Europäischen Süd- sternwarte in Chile. Weil das Teleskop dem Kometen folgte, erscheint er als Punkt, die Sterne als Striche
tenzielle Wasserlieferanten, die über Milliarden Jahre hinweg die Erde mit ihrer kostbaren Flüssig- keit versorgt haben könnten.
ANATOMIE EINES DUNKLEN KOMETEN
Was unterscheidet einen dunk- len Kometen von einem gewöhn- lichen Asteroiden oder einem klassischen Kometen mit spekta- kulärem Schweif? Stellen wir uns einen typischen Asteroiden vor: ein trockener Gesteinsbro- cken, der seinen Weg durch das Sonnensystem zieht, gesteuert ausschließlich von der Gravita- tionskraft der Sonne und der Planeten. Ein klassischer Komet dagegen ist ein »schmutziger Schneeball« – eine Mischung aus Eis, Staub und Gestein. Nähert er sich der Sonne, verdampft das Eis und reißt Staub mit sich. Es bilden sich die charakteristische Koma und der spektakuläre Schweif, der oft über Millionen Kilometer den Himmel ziert. Ein dunkler Komet vereint Eigenschaften beider Welten. Von außen betrachtet sieht er aus wie ein gewöhnlicher Asteroid. Doch in seinem Inneren schlum- mern Eisreserven, die bei Annä- herung an die Sonne langsam verdampfen. Der entscheidende Unterschied: Wenn das Eis subli- miert, entweicht das Gas, ohne nennenswert Staub mitzurei- ßen. Kein Staub, kein Schweif – und damit bleibt der Komet für
EISIGE RELIKTE IM GESTEIN
Doch was macht diese Entde- ckung so bedeutsam? Die Ant- wort schwingt mit in einer der größten Fragen der Planetologie,
Astronom Aster Taylor forscht an der Univer- sity of Michigan. Er gilt als einer der führen-
den Experten für dunkle Kometen
» DUNKLE KOMETEN SIND EINE ART HYBRID – SIE SEHEN WIE ASTEROIDEN AUS, VERHALTEN SICH ABER WIE KOMETEN « Aster Taylor, Astronom
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