FORSCHUNG | NATURSCHUTZ
wertvoll, ja, essenziell. Sogar die Zecken. Parasiten helfen, die Populationen ihrer Wirte zu kontrollie- ren, auch Schädlinge, die sich sonst explosiv aus- breiten würden. Mehr noch: Parasiten machen Nah- rungsnetze komplexer und damit robuster, weil sie neue Verknüpfungen schaffen. Denn sie spielen nicht nur nach den einfachen Regeln vom »Fressen- und-Gefressen-werden«. E in Beispiel sind Saitenwürmer, die sich an Land im Körper von Insekten entwickeln, sich aber nur in Gewässern paaren können. Also »zwingen« die Würmer ihre Wirte zum Sprung ins Wasser. Eine Studie an einem japanischen Bach hat gezeigt, dass der seltene Japan-Saibling darin zu ei- nem Großteil von ertrunkenen Grillen und Gras- hüpfern lebt. Ein Knotenpunkt im Nahrungsnetz, der nur wegen der Schmarotzer existiert. Trotzdem erklärt sich wahrscheinlich nicht von selbst, warum Kwak das weltweit erste Parasiten- Schutzprogramm ausgerechnet für eine Zecke auf- gesetzt hat, noch dazu für eine eher unbekannte – und warum das ganze Vorhaben so ungewöhnlich ist. In der Theorie zweifeln Menschen selten die Be- deutung der Artenvielfalt für robuste Ökosysteme oder das grundlegende Existenzrecht einzelner Spezies an. In der Praxis sind unsere Aufmerksam- keit und die zugehörigen Mittel aber höchst un- gleich verteilt: Kuschelige Knopfäugige schlagen Kriecher, Krabbler und Schleimer um Längen. Wenn es um den Schutz gefährdeter Arten geht, stehen meist charismatische Tiere wie Wale, Tiger oder Vögel im Vordergrund. Deshalb sind die meisten der für uns ungefähr- lichen Parasiten nicht untersucht oder auch nur identifiziert. Wir kennen weder ihre ökologischen Anforderungen noch ihre natürlichen Populations- größen oder Interaktionen mit anderen Arten. Vor wenigen Jahren sprach sich deshalb ein internatio-
10 Jahre
nales Team von Experten – darunter auch Kwak – für einen globalen Schutzplan für Schmarotzer aus: mit intensiver Forschung, Aufklärung und Öffentlich- keitsarbeit. Demnach soll in einer globalen Kraft- anstrengung innerhalb einer Dekade mindestens die Hälfte aller Parasiten wenigstens beschrieben werden. Die Zeit drängt, weil wir nur vermuten kön- nen, ob und wie sich der Klimawandel und andere Ökokrisen auf diese Tiere auswirken. Es könnte künftig eng werden für manche Parasiten – so wie schon jetzt für die hoch spezialisierte Ryukyu- Kaninchen-Zecke. Die keine zwei Millimeter großen und unschein- bar braunen Tiere müssen dreimal in ihrem Leben Blut trinken, um sich zu entwickeln. Sie sind soge- nannte Drei-Wirte-Zecken, die unter künstlichen Bedingungen wie im Labor zwar auch andere hasen- artige Wirte akzeptieren, aber in freier Natur nur an einer Art parasitieren: dem Ryukyu-Kaninchen (Pentalagus furnessi). Diese urtümliche Art mit dem schwarzen Fell und den kleinen Ohren kommt nur auf wenigen In- seln Japans vor und ist eines der seltensten Säuge- tiere der Welt. Die Tiere haben in ihrer Heimat den
können Zecken unter Laborbedingungen ohne Nahrung aus- kommen, wenn sie sich einmal mit Blut vollgesaugt haben
Vermittler im Nah- rungsnetz: Saitenwür- mer leben parasitär in Insekten. Sie können sich aber nur in Gewässern paaren. Also »zwingen« die Würmer ihre Wirte zum Sprung ins Wasser. Saiblinge ernähren sich zum Großteil von genau diesen Insekten
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