Menschen brachten Mungos auf die japa- nischen Inseln, damit sie giftige Vipern fressen. Doch die Räuber machten stattdessen Jagd auf Kaninchen
Zecken als Vehikel, um von einem Wirt zum anderen zu springen? Solche Forschungsansätze könnten dazu beitragen, die Moleküle im Zeckenspeichel zu isolieren, die das Immunsystem der Wirte dämpfen. Blutsaugende Parasiten schützen sich so vor der geg- nerischen Abwehr. Umgekehrt könnten eben diese Moleküle einmal Patienten helfen, deren Immun- system unterdrückt werden muss: ob bei einem Autoimmunleiden oder nach einer Transplantation. Hier könnte die Kaninchen-Zecke helfen, ob- wohl sie sich nur an hasenartige Wirte angepasst hat. Deren Abwehr stimmt schließlich in weiten Tei- len mit unserer überein. »Wir wissen bereits, dass selbst Zecken, die uns nicht befallen, Moleküle pro- duzieren, die auf unsere Abwehr wirken«, sagt Kwak. Wie aber steht es nach seiner Meinung um die so oft geforderte Zeckenimpfung (siehe Kasten)? K wak winkt ab. »Das Problem sind nicht so sehr die Zecken, sondern die Krankheitser- reger«, betont er. »Selbst wenn jemand vor Kurzem gegen eine bestimmte Zecke geimpft wur- de, würde es nach einem Biss noch mehrere Tage dauern, bis der Körper eine robuste Immunreak- tion gegen den Parasiten aufgebaut hat. Aber in die- ser Zeit hätte er sich wahrscheinlich bereits mit den Borreliose-Bakterien infiziert, wenn die Zecke sie in sich getragen hat. Impfstoffe gegen Zecken selbst sind also keine gute Lösung, wenn es darum geht, Krankheiten beim Menschen zu bekämpfen, die durch die Parasiten übertragen werden.« Das Pionierprojekt auf Amami-Oshima könnte also nicht nur medizinischen Fortschritt bringen. Es könnte auch helfen, Wissenslücken zu den seltenen Zecken, ihrem Ökosystem und dem Leben von Para- siten allgemein zu schließen. »Ich hoffe, dass das Projekt selbst nach meinem Tod als erstes und am längsten laufendes Schutzprogramm für einen weltweit bedrohten Parasiten weitergeführt wird«, sagt Kwak. »Flöhe mag ich auch sehr, aber Zecken sind meine große Liebe.«
Fadenwurm Caenorhabditis elegans oder der Tau- fliege Drosophila melanogaster. Kwak konnte die Ryukyu-Kaninchen-Zecke bereits unter kontrol- lierten Bedingungen erhalten und vermehren. Sei- ner Ansicht nach ist das Tier optimal für die For- schung an Parasiten geeignet. Ein Vorteil: Die Zecken befallen nur hasenartige Tiere und brauchen ein subtropisches Klima, was als Kombination extrem selten ist. Sollten diese Zecken also einem Labor ent- kommen, wären sie keine Gefahr für den Menschen oder die Umwelt. In einem ersten Schritt auf dem Weg zum Mo- dellorganismus wird nun das gesamte Genom der Ryukyu-Kaninchen-Zecke entschlüsselt. Sie hat sich schon lange von der Zecken-Verwandtschaft weltweit abgekoppelt und eigenständig entwickelt, was spannende Erkenntnisse zur Evolution dieser Tiere verspricht. Kwak hofft, dass der Parasit außerdem Einblicke in die Immunökologie liefert, also die vielfältigen Interaktionen zwischen diesem und anderen Schmarotzern und ihren Wirten. Wie reagiert die Abwehr auf mehr oder weniger spezialisierte Blut- sauger? Wie zügeln die Parasiten das gegnerische Immunsystem? Und wie nutzen Krankheitserreger
· Parasiten wie Zecken machen den Großteil aller Tier- spezies aus und können in Ökosystemen wichtig sein. · Auf einer entlegenen japanischen Insel haben Forscher ein Programm gestartet, um eine seltene Zecke zu erforschen und zu schützen. · Vielleicht, so die Hoffnung, kann sie einmal als Modell- organismus in medizinischen Labors dienen.
Susanne Wedlich hat Biologie studiert und guckt immer hin, wenn andere Menschen sich ekeln. Zuletzt schrieb sie für P.M. etwa über Schlangen (6/2025).
08/2025 P.M. 51
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