P.M. Magazin

TECHNIK | PETRA IV

kontrastreichere Aufnahmen von Bewegungen liefern, als es mit Petra III möglich ist. Als Bei­ spiel nennt Stephan Roth ein weiteres Forschungsgebiet, das er beackert: industrielle Be­ schichtungsprozesse. Er experi­ mentiert mit aufsprühbaren Substanzen, die als hauchdünne Fotovoltaik fungieren. Zwischen dem Aufsprühen solcher neu­ artigen Solarzellen auf eine Un­ terlage und ihrer Trocknung vergehen nur etwa 50 Millise­ kunden, so der Physiker. »Mit Petra IV könnten wir nachvollzie­ hen, was in dieser extrem kurzen Zeit auf der Nano-Ebene passiert«, sagt Roth. »Dadurch können wir die Nanostruktur op­ timieren und die Effizienz der Solarzelle und ihre mechanische und elektrische Stabilität ver­ bessern. Die Struktur auf der Na­ noskala und wie sie entsteht, ist dafür nämlich verantwortlich.« B ei anderen Untersuchun­ gen geht es um längere Zeiträume. Auch über Stunden oder Tage hinweg sollen sich mit Petra IV diverse Prozesse in einer Größenordnung von we­ nigen Millionstelmillimetern be­ obachten lassen – etwa ob und wie sich Nanostrukturen in Bat­ terien für Elektroautos während des Betriebs verändern und zu Defekten führen. Rund 1,54 Milliarden Euro würde die neue Anlage kosten, schätzt das Desy. Ob Petra IV tat­ sächlich entsteht, ist weit über Hamburg hinaus von Bedeu­ tung. Denn das Forschungszen­ trum genießt international ein hohes Ansehen, zieht Spezialis­ ten aus aller Welt an. In der Han­ sestadt sind am Desy gut 2000 Menschen angestellt; hinzu kom­ men etwa 700 Diplomanden,

Strahlen gegen Corona MEDIKAMENTE Als die Covid-19-Pandemie in der Welt wütete, suchten Forschende am Desy mithilfe der Röntgenlichtquelle Petra III nach Mitteln gegen die Infektionskrankheit. Dazu testeten sie in der Anlage 6000 bekannte Wirkstoffe, die für die Behandlung anderer Krankheiten bereits zugelassen waren. Sie interessierte vor allem, ob die Substanzen an die sogenannte Hauptprotease des Virus andocken und so dessen Vermehrung bremsen würden. Dafür muss das Wirkstoffmolekül in das Bindungszentrum der Protease passen wie ein Schlüssel in ein Schloss. Rund drei Minuten dauerte ein Prüfvorgang, dann wurde die Probe mittels eines Roboter- arms vollautomatisch gewechselt. Auf diese Weise fanden die Wissenschaftler innerhalb kurzer Zeit 37 Wirkstoffe, die eine Verbindung mit der Hauptprotease eingehen. Zwei davon – Calpeptin (im Bild oben auf einer Elektronen- dichtekarte gelb dargestellt) und Pelitinib – taten das so vielversprechend, dass umgehend präklinische Studien begannen, um die Wirksamkeit intensiver zu überprüfen. Darüber hinaus brachte das Wirkstoffscreening eine Bindungsstelle an der Hauptprotease ans Licht, an der künftige Medikamente ankoppeln können.

ARBEITSPLATZ Die Messstation P08 in der Petra-III-Experimentier­ halle erinnert eher an eine Garagenwerkstatt als an ein Hightech-Labor für Wissenschaftler

PRÄZISION Eine Forscherin bereitet an der Messstation P06 von Petra III ein Experiment vor

02/2024 P.M. 53

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