WORK
Fotos sortieren, Texte klassifizieren: Der KI-Boom beruht auf der Leistung von »Klickarbeitern«. Die Wissenschaftlerin Milagros Miceli erforscht deren Arbeitsbedingungen
INTERVIEW: LARS-THORBEN NIGGEHOFF
P.M.: Wenn die Öffentlichkeit von den Heer scharen von Arbeitern erfährt, die in armen Ländern für Technologiekonzerne arbeiten, ist oft die Rede von »Clickwork« oder »Micro work«. Sie legen Wert auf den Begriff »Data Work«. Warum? MILAGROS MICELI: Weil er am besten beschreibt, was diese Menschen machen. Ihre Arbeit besteht darin, Daten zu produzieren. Ohne diese würde kein KI-Modell auch nur ansatzweise funktionie- ren. Es ist kein Zufall, dass der aktuelle KI-Boom ungefähr zur selben Zeit startete, als Amazon seine Plattform »Mechanical Turk« im Jahr 2005 eröff- nete, über die Unternehmen und Arbeiter verbun- den werden. Nur dank solcher Modelle hat die KI-Industrie die nötigen Arbeitskräfte zur Daten- generierung, und das zu niedrigen Preisen. Wo findet die KI-Industrie die Arbeitskräfte? Data Worker gibt es grundsätzlich überall, auch in den USA und in Europa. Die wichtigsten Märkte finden sich aber in Entwicklungsländern, etwa in
Indien und Bangladesch, aber auch auf den Phi lippinen und in Kenia. Das sind überwiegend ärmere Menschen. Weltweit arbeiten mindestens 154 Millionen Menschen als Data Worker. Und wie genau produzieren diese Menschen Daten? Es gibt verschiedene Aufgabentypen, die sich aber auf vier Bereiche herunterbrechen lassen. Erstens: die Generierung neuer Daten. Dazu können die Data Worker das Internet scrapen, also durchfors- ten, um bestehende Informationen zu sammeln und neu zu ordnen. Oder sie schießen Fotos, etwa von sich, von anderen Menschen und Gegenstän- den. Auch Sprachaufnahmen liefern sie an die KI-Unternehmen. Die dann damit ihre Algorithmen trainieren? Nein, erst mal müssen die Daten klassifiziert werden. Das ist die zweite Aufgabe, die die Data Worker übernehmen. Sie identifizieren zum Beispiel, was auf einem Bild zu sehen ist: Ist es eine Katze oder ein Hund? Dann versehen sie
154 Millionen Menschen oder mehr arbeiten weltweit als Data Worker. Viele davon in Indien, Bangladesch, auf den Philippinen oder in Kenia
02/2024 P.M. 65
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